Vizekanzler und Außenminister Westerwelle hält oft und gern die Mittelschicht für das Fundament unserer Gesellschaft. Auf diesem Fundament werden die Reichen reicher und die Armen notgedrungen durchgefüttert. So in etwa muss das wohl aussehen. Ich finde, Fundament ist immer der Bodensatz, es sind die Ärmsten der Armen. Ein Fundament kann nicht die Mitte sein, sondern es verankert in der Erde. Ein Sozialstaat muss sich daher daran messen lassen, wie er mit Unterprivilegierten umgeht, nicht mit denen, denen es gut geht.
Aus ökonomischer Perspektive mag das anders aussehen. Wohlstand entsteht nicht aus dem Nichts. Verdient wird Geld durch die arbeitende Bevölkerung. Das ist zwar auch etwas vereinfacht (Stichwort: Nichtbezahlte Arbeit, Ausbeutung etc.), trifft aber aus meiner Sicht noch zu. Diesbezüglich ist die sogenannte „Mittelschicht“ (die es so vereinfacht meiner Meinung nach allerdings auch nicht mehr oder kaum noch gibt) eine Stütze und ein Pfeiler des bestehenden Systems. Nicht der Einzige, aber das ist, wie so oft, wohl zu kompliziert.
Was ich angesichts des neuesten Sparpakets nicht verstehe: Muss das Fundament nicht auch im Krisenfall den Hauptanteil tragen, wenn es ums Sparen geht? Ist das Fundament nicht dafür da, zu halten, wenn alles andere schon weg bricht? Und kann denn einer sowieso schon unterprivilegierten Schicht überhaupt die soziale Verantwortung aufgebürdet werden, zu sparen, wo es nichts zu sparen gibt, weil sie per se am Leben erhalten, aber nicht verwöhnt wird? Wieso wird dann aber (durch Westerwelle und Co, hier sei namentlich auch Familienministerin Kristina Koehler Schröder mit ihren dummen Äußerungen bei Twitter genannt) bei den Ärmsten gespart, die gar nichts einsparen können, während das angeblich so wichtige, weil stabile, Fundament der Gesellschaft ausgenommen wird? Könnte die Mittelschicht (oder gar die Oberschicht) nicht bedeutend mehr Einschnitte einfach wegstecken und so ihren Anteil dazu beitragen, eine Gesellschaft zu finanzieren, die ihr erst ermöglicht hat, zur Mittel- oder Oberschicht zu werden? Und sollte nicht gerade die Mittelschicht ein Interesse an Sicherheit im Lande haben?
Damit meine ich nicht nur, dass irgendwann vielleicht Menschen in unserem Land keine andere Möglichkeit mehr sehen, zu überleben, als Gewalt anzuwenden oder auf andere Art kriminell zu werden, sondern auch, dass die Angst vor dem sozialen Abstieg ins Nichts irgendwann so groß wird, dass sie lähmend wirkt. Auch die Mittelschicht ist nicht stabil, auch hier gibt es Aufsteiger und Absteiger. Ist es nicht im Interesse aller, dass der soziale Abstieg einer ist, der trotzdem noch Perspektiven und Möglichkeiten bietet? Es ist doch dumm, die Augen davor zu verschließen, dass es einen auch treffen kann, obwohl momentan alles gut läuft. Man sichert doch nicht nur die Armen ab, mit denen man nichts gemein zu haben glaubt, sondern in erster Linie sich selbst, seine Familie, seine Kinder. Schichten fließen, sie sind gerade nach unten durchlässig. (daher ist auch das Lohnabstandsgebot auf dem Papier eine tolle Sache, von der Realität aber schon lang überholt, in einer Gesellschaft mit zunehmender Zahl von „Aufstockern“ und „1€- Jobbern“)
Wenn die Mittelschicht das Fundament und die wichtigste Schicht unseres Landes ist, dann muss sie auch den Großteil der Folgen einer Krise tragen. Wird sie in Krisenzeiten von Sparplänen ausgenommen, kann sie nicht die Stütze sein, als die sie uns immer vorgehalten wird. Dann ist sie nur Profiteur der Armut der Anderen (und früher oder später, zumindest in Teilen, auch Leidtragende dieser).
Pingback: Impactsuspect » Kleine Linksammlung zum “Sparpaket”