Comics und Frauen sind noch immer ein schwieriges Thema und ich versteh‘ noch immer nicht recht, wieso eigentlich. Immerhin wissen wir mittlerweile, dass es nicht stimmt, dass Frauen keine Comics lesen, ein Vorurteil, dass sich viel zu lange gehalten hat.
Comic Book Resources hat sich mal angeschaut, was für Comics Frauen so lesen. Die Antworten sind nicht wirklich überraschend: Sie lesen gern Comics mit gut geschriebenen und gezeichneten weiblichen Charakteren. Sie lesen nicht: DC und Marvel. (Das ist weder repräsentativ noch in jedem Fall so, aber in der Tendenz.)
Besonders gerne lesen sie Image Comics. Woran mag das liegen? Zum einen sicher an der Auswahl, die Image so bietet. Da ist für jede(n) was dabei. Anders als bei DC und Marvel, wo sich die einzelnen Reihen viel mehr ähneln. Bei den „Big Two“ richten sich fast alle Serien an eine männliche Zielgruppe. Das bedeutet offenbar, dass man sich mit Frauenfiguren keine Mühe geben muss. (Ein Trugschluss! Viele Kerle lesen gern von schlauen, toughen, realistischen Frauen.) Image ist da viel heterogener.
Außerdem arbeiten bei Image mehr Autorinnen und Zeichnerinnen. Das kann ich nicht mit Zahlen belegen, ich bin mir aber recht sicher. Das dürfte zu mehr Comics führen, die Frauen nicht nur als sexy Beiwerk betrachten.
Frauen mögen Qualität. Geschichten für Erwachsene, die hinterfragen, gesellschaftliche Relevanz besitzen und die auch mal heiße Eisen anfassen, nicht immer nur Gewalt. Sondern Sexualität zum Beispiel. Diskriminierung. Ja sogar Feminismus. Nicht immer, manchmal soll das Lesen auch einfach Spaß machen und unterhalten, aber zumindest immer mal wieder. Comics mit Substanz, die auch mal reflektieren. (Nochmal: Dieselben Kriterien sind auch vielen Kerlen wichtig, es ist nicht so, als ob irgendwas daran unverständlich oder geheimnisvoll oder überraschend wäre.)
Ebenfalls nicht überraschend, dass sich Comics, die für alle Geschlechter interessant sind, auch gut verkaufen. Für Image Comics lohnt es sich finanziell, Frauen nicht auszuschließen. Marvel und DC verzichten hier immer noch auf die Hälfte ihrer potentiellen Kunden.
Fazit: Frauen lesen keine „Comics für Frauen“. Sie lesen einfach gern gute Comics, die Frauen ernst nehmen. Mehr Frauen in der Comic-Industrie führen zu besseren Comics und damit besseren Verkäufen. Es wäre ziemlich einfach, Frauen noch besser in die Comic-Szene zu integrieren.
(Ich selbst lese auch recht viel von Image. Aktuell gefällt mir „Pretty Deadly“ sehr gut. Ein Comic im Western-Setting um eine mysteriöse Rächerin. Gerade ist Heft 2 erschienen.
„Saga“ ist sowieso ein Must-Buy. Das könnt ihr überall nachlesen.
„Lazarus“ empfehle ich auch. Greg Rucka ist bekanntlich einer der Männer, die ziemlich gute Frauenfiguren schreiben. „Lazarus“ spielt in einer Zukunft, in der arm und reich so weit auseinander gedriftet sind, dass reiche Familien sich Beschützer(innen), Lazarus genannt, leisten. Momentan ist der erste Sammelband erschienen.
„Sex Criminals“ ist – trotz des abschreckenden Titels – auch ziemlich gut. Es geht darin um zwei Menschen, die im Moment ihres Orgasmus‘ quasi aus der Zeit fallen. Für sie bleibt die Zeit stehen. Das ist praktisch, wenn man sich auf kriminelle Art und Weise bereichern will. Daher der Titel.
„Rocket Girl“ ist eine beschwingte Zeitreise-Geschichte um die junge Polizistin DaYoung Johansson. Dank Amy Reeder ein Fest für die Augen.
Soweit meine Empfehlungen. Es gibt sicher noch andere lesenswerte Comics von Image, aber die lese ich momentan nicht. Empfehlungen aus anderen Verlagen kann ich bei Interesse naturement auch noch nachreichen.
Auch ganz spannend: Frauen lesen viel online. Wahrscheinlich sind Comic-Shops nicht unbedingt einladend, aber das ist nochmal ein anderes Thema und vielleicht eines, über das jemand anders schreiben sollte.)
Pingback: Die alte Leier: Frauen lesen keine (Superhelden)Comics | Ein Comic Leben
…lustig: habe kürzlich eine andere „Umfrage“ gelesen, der zu folge DCs Leserschaft zu 31% weiblich sei, die von Marvel (mit bedeutend weniger Superheldinnen in eigenen Heft-Serien als DC) immerhin noch zu 25%. Woher bei all diesen Umfragen die Ergebnisse herstammen bleibt wohl auf ewig das Geheimnis der websites die soetwas veröffentlichen.
DC hat Marvel gegenüber zwei Vorteile:
1.) mehr Heldinnen in eigenen Heft-Serien die z.T. seit Jahrzehnten mehr oder weniger erfolgreich laufen (Wonder Woman, Supergirl & Co.)
2.) der VERTIGO Label in dem im Laufe der vergangenen 20+ Jahre diverse Serien und OGNs (Org. Graphic Novels) erschienen sind die gewiss auch Frauen ansprechen (Fables, Sandman & Co.)
IMAGE ist der derzeitige Gewinner dieser abstrusen Situation bei DC & MARVEL (weil deren Serien „Dank“ Neustarts wie „The New 52“ bzw. „Marvel Now!“ immer gleichförmiger, vorhersehbarer und zeitweise leider manchmal auch sexistischer geworden sind, von den scheußlich- aussehenden Re-Designs der DC-Kostüme durch Jim Lee mal abgesehen).
Die Vielfältigkeit an Serien die IMAGE derzeit dem Leser anbietet erinnert mich an die besten Zeiten des VERTIGO Labels (so ca. 1996 – 2006).
…bedenken sollte man aber auch, das es auch Leserinnen gibt, die sich an „Kloppereien der Strumpfhosenbrigaden“ (bei DC & MARVEL) ergötzen können. Die Zeiten, wo das ein reines „Jungs-Ding“ war sind glücklicherweise vorbei :)
So ne Zahl kommt auch bei Comic Book Resources vor. Über 30% Leserinnen. Aber richtig, die Zahlen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Image als neues Vertigo seh ich ähnlich, die sind da in die Lücke sehr erfolgreich rein gegangen (auch wenn Vertigo in den letzten Monaten wieder ein paar coole Serien zu bieten hat).
Ich glaube, es ist vor allem die Vielseitigkeit, die den Reiz von Image ausmacht. Ab und an sind Kloppereien bestimmt für jedes Geschlecht interessant. Nur manchmal darf es halt auch was Andres sein. Image bietet ja auch genug Superhelden, Action usw.
Ich hoffe, es kam deutlich rüber, dass ich weniger an verschiedene „Neigungen“ glaube, als an die Qualität der Charaktere. Frauen lesen eben keine „Frauencomics“ (was auch immer das klischeemäßig sein könnte) und viele Männer lesen auch gern Image-Serien.
tja, die „Qualität der Charactere“ hat m.M.n. bei DC durch den „N52“ – Neustart doch arg gelitten (nicht bei allen, aber bei den meisten Figuren). …und eine Figur wie WONDER WOMAN (immerhin sowohl feministische Ikone seit Beginn der 70er UND auch -zumindest in den USA- eine Gay-Icon!) ist in ihrer „aktuellen“ Version für mich nicht (mehr) akzeptabel (so gut Stories & Artwork derzeit auch sind; das hat niX mehr mit „Vorbildcharakter“ o.ä. für junge Frauen bzw. schwule Männer gemeinsam – leider)
In den 90ern war DC noch so „mutig“ WW-Stories auch sozialkritische Töne zu verpassen (Dank George Perez‘ Neugestaltung der Figur ab 1987 war das möglich); das ging soweit, das auch gleichgeschlechtliche Liebe oder auch die Diskrimitierung von Frauen als Themen aufgegriffen wurden. NICHTS davon ist in der jetzigen WW davon noch übrig…
SCHÖN das Frauen auch Superhelden lesen! Es gibt ja tatsächlich noch Comic-Verlage, die etwas „antiqiert“ von ihrer Leserschaft denken, siehe:
http://groberunfug-comics.blogspot.de/2012/05/grafik-novels-sind-unser-leben-zur.html
Muhahahaaa…
…sollte niX mehr tippen/schreiben, wenn ich übermüdet bin:
im vorletzten Absatz meines Kommentars eben meinte ich natürlich die „Diskreminierung“ !!! (sorry ;)
m.
Tja, ich muss dich enttäuschen!
Ich bin weiblich und lese sowohl DC als auch Marvel Comics. Und das Beste daran ist, dass ich sogar darüber schreibe!
Offenbar muss ich die Quote ein wenig anheben! :D
Klar, das ist nur eine Tendenz und es gibt bestimmt einige Frauen, die DC und Marvel lesen. Kein Grund zur Enttäuschung. Gibt ja auch durchaus nette Serien von Marvel und DC. Umso besser, dass du auch noch drüber schreibst.