Hm, ein Song von dem niemand denken würde, dass ich ihn mag. Wie wärs mit Heinz Rudolf Kunze? ;) Wie so oft stellen mich die Fragen mit ihren nur feinen Unterschieden vor das Problem, kurz nachdenken und stöbern zu müssen. Was ehrlicherweise toll ist, ich habe mich lange nicht mehr so intensiv mit meiner Musiksammlung beschäftigt, wie in diesem Monat. Zwar habe ich einen groben Überblick darüber, welche Alben von welchen Bands ich besitze, aber beim der Suche nach passenden Liedern sind mir auch ein paar Werke untergekommen, die ich glatt vergessen (oder verdrängt) hatte.
Um die Frage des heutigen Tages zu beantworten, muss ich mich erstmal selbst fragen: Was erwartet man denn von mir? Wie schätzt man mich ein? Eine schwierige Frage, weiß ich doch selbst nicht genau, welche Musikrichtung ich bevorzuge. Teil meiner Herangehensweise ist gerade die größtmögliche Offenheit gegenüber im ersten Moment seltsamer, fordernder Musik. Mich reizen Richtungen, die mir noch verschlossen bleiben (momentan: Grindcore). Es dauerte lange Zeit, bis ich mich mit Black Metal anfreunden konnte. Ich hatte ursprünglich eine Abneigung elektronischer Musik gegenüber. Ich brauchte lange, um zurück zu gutem Pop zu finden.
Was also erwartet niemand von jemandem, der offenbar ständig auf der Suche nach neuer Musik ist? Hmm. Retromucke? Das könnte was sein. Klassische Musik hatte ich schon, wenn auch in recht modernem Gewand. Die Monks wurden im Blog schon separat vorgestellt. Die Beatles? Nicht sehr kreativ.
Also nutze ich die Chance, um euch ein aus meiner Sicht sehr spannendes und gelungenes Projekt vorzustellen, das sehr retro ist. Es war einmal (1936) ein Anti- Cannabis- Film aus Amerika mit dem schönen Titel „Tell your children“ bzw. „Reefer Madness“.
Die Geschichte fasst Wikipedia perfekt zusammen, also übernehm ich das einfach mal:
Der Film erzählt die tragische Geschichte von braven High-School-Schülern, die nach dem Genuss von Cannabis vergewaltigen, sich umbringen und dem Wahnsinn verfallen.
Wie das halt so ist. Der Film, unterstützt durch kirchliche Verbände, sollte Eltern für die Gefahren des Cannabiskonsums sensibilisieren. Gekauft hat den Film dann ein Exploitation- Filmemacher (Dwain Esper), der aus dem Propagandastück dann eben das machte, was er am Besten konnte: Durch Schnitte und zusätzliche Szenen wurde aus Reefer Madness ein Exploitationfilm. Der Erfolg blieb überraschenderweise aus, der Film verschwand im Filmnirvana. Keiner kam auf die Idee, man könne den Film eventuell irgendwann nochmal veröffentlichen, also kümmerte sich auch niemand um irgendwelche Schutzrechte, weswegen Reefer Madness Gemeingut (public domain) wurde (deshalb könnt ihr ihn euch auch problemlos, zum Beispiel bei Google Video anschauen).
In den 70ern wurde der Film dann wieder entdeckt. Für 297$ erstand Keith Stroup eine Kopie und brachte den Film ganz groß raus: Als unfreiwillig komische Unterhaltung für Kiffer und andere Collegestudenten.
Mittlerweile Kult, wurde Reefer Madness 1992 auf die Theaterbühne gebracht. 1998 schrieben Kevin Murphy (Drehbuch, Texte) und Dan Studney (Musik) ein gleichnamiges Musical, welches den Film parodierte (unter anderem mit Neve Campbell). Dieses Musical wurde selbst ein Film (von Andy Fickman) und um diesen geht es mir heute.
Ich mag keine Musical- Verfilmungen. Das ist eigentlich zu vorsichtig ausgedrückt. Ich kenne nicht viele, aber die meisten davon waren furchtbar, nervig, abstoßend. Die Idee eines Kiffer- Musicals fand ich zumindest spannend genug, um dem Film eine Chance zu geben. Ich erwartete nicht viel.
Ich wurde nicht enttäuscht. Dieser Film reißt von Beginn an mit und das nicht trotz des vielen Gesinges, sondern grad deswegen. Die Lieder in diesem Film sind mitreißend, die Choreografien sind kreativ und passen perfekt. Die Texte sind wirklich witzig (auf englisch, aber man versteht sie gut), alle Beteiligten scheinen eine Menge Spaß bei der Erschaffung dieses kleinen Juwels fernab des Mainstreams gehabt zu haben. Es macht einfach Freude, diesem verrückten Spektakel zu folgen, von der ersten Minute an. Die Szenen und Songs bleiben im Kopf. Wetten? Zum Anfixen drei Ausschnitte aus Reefer Madness (sehr unschöne deutsche Übersetzung: Kifferwahn oder Cannabiswahn):
Little Mary Sunshine
Listen to Jesus, Jimmy
The Brownie Song