Bin eben auf einen spannenden Artikel von Glen Greenwald zur Drogenpolitik Portugals gestoßen, den ich euch ans Herz legen möchte. Zunächst fasse ich aber erst einmal verschiedene mir bekannte Modelle der Drogenprohibition zusammen, um einen (evtl. unvollständigen) Überblick zu ermöglichen.
Die Situation in Deutschland sollte uns als Bürgern vergleichsweise gut bekannt sein, mit allen Problemen, die sie mit sich bringt. In Deutschland gibt es Drogen wie Alkohol und Tabak, auf die der Staat Steuern erhebt, deren Konsum, Besitz und Handel (unter bestimmten Auflagen) legal ist. Und es gibt illegale Drogen. Deren Konsum ist nicht verboten, Besitz und Handel aber sehr wohl. Deutschland kennt dafür den „Eigenbedarf“ bzw. die „geringe Menge“. (siehe § 31a BtMG) Darunter versteht man eine Menge einer Droge, bis zu der „in der Regel“ ein eingeleitetes Verfahren eingestellt werden kann oder eingestellt werden soll. Hierfür definieren die verschiedenen Bundesländer teils sehr verschiedene Grenzwerte, Rechtssicherheit besteht nicht, Gerichte entscheiden in solchen Fällen teils sehr unterschiedlich.
Wenn es um die Frage einer vernünftigen Drogenpolitik geht, wird oft in die Niederlande geschaut, die mit ihrem Coffeeshop- Modell als wegweisend gelten. Die Niederländer verfolgen schon seit längerer Zeit den Verkauf kleiner Mengen (analog zu unserer „geringen Menge) sogenannter weicher Drogen wie Marihuana oder Haschisch in speziellen Coffee- Shops nicht, sondern dulden ihn. Entgegen weit verbreiteter Meinung ist Cannabis aber auch in den Niederlanden nicht legal. „Harte“ Drogen sind verboten, ebenso der Anbau von Cannabis in großem Umfang (large scale) sowie die Verarbeitung. Die Betreiber von Coffeeshops beziehen ihre Ware daher notgedrungen aus dem kriminellen (oder kriminalisierten) Millieu.
Über die tschechische Drogenpolitik, hat man vielleicht zumindest schon einmal etwas gehört. Seit Januar 2010 kennt Tschechien für alle gebräuchlichen Drogen (also auch „harte“ Drogen) Grenzwerte für den Eigenbedarf, in deren Rahmen Besitz nicht bestraft wird (strafbar ist er aber dennoch). Konsum in bestimmten Etablissements wird wohl schon längere Zeit stillschweigend geduldet. Der Anbau von bis zu fünf Hanfpflanzen ist jedem Bürger gestattet. Handel ist immer noch verboten. Tschechien hat damit wohl die liberalsten Drogengesetze in Europa.
In Kopenhagen tolerierte die dänische Regierung seit 1971 den öffentlichen Handel mit Cannabisprodukten in der „Pusher Street“ in der „Freistadt Christiana“, einer alternativen Wohnsiedlung mitten in der Stadt. Die Bewohner Christianas dulden aufgrund von zunehmenden Problemen mit Heroinabhängigen seit 1979 keine harten Drogen. Von 2001 an wurde durch die konservative dänische Regierung verstärkt versucht, den Drogenhandel in der Pusher Street zu unterbinden, seit 2004 wurde in Christiania nicht mehr öffentlich mit Cannabis gehandelt. In der Folge kam es zu teils blutigen Verteilungskämpfen zwischen rivalisierenden Banden, sowie einer Ausweitung des Drogenhandels auf ganz Kopenhagen, wobei hier weiche und harte Drogen zusammen verkauft wurden. In neuerer Zeit sind die Dealer wohl wieder in die Pusher Street zurückgekehrt, der offene Handel mit Cannabis wird fortgesetzt (Welt vom 24.09.2009) und Politiker denken laut darüber nach, ob man den Cannabishandel nicht komplett in staatliche Hand nehmen und legalisieren sollte, um den kriminellen Banden, die bisher davon profitieren, die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Hierbei ist auch explizit geplant, den Anbau von Cannabis zu legalisieren, um Probleme wie in den Niederlanden zu vermeiden, wo Coffeeshop- Betreiber ihre Ware aus dubiosen, illegalen Quellen beziehen müssen.
Kommen wir also zu Portugal. Interessant, dass mich erst ein Amerikaner darauf bringt, dass Portugal in Sachen Drogenpolitik bereits seit 2001 einen Weg geht, der in Europa wohl einzigartig ist. Portugal hat sämtliche Drogen „dekriminalisiert“. Das bedeutet: Die Drogen bleiben illegal, aber ein Verstoß gegen geltendes Recht, wird generell nur als Ordnungswidrigkeit behandelt, nicht als Straftat. Ausnahme: Drogenhandel ist immer noch eine Straftat.
2001 ist nun schon ein paar Jährchen her, lang genug, um auszuwerten, welche Erfahrungen Portugal mit diesem Schritt gemacht hat. Ähnliches gilt für das niederländische Modell (dem das tschechische im Grundsatz sehr ähnelt, dieses läuft allerdings noch nicht lang genug, um bereits Schlüsse zu ziehen).
Beiden Ansätzen ist es nicht gelungen, Drogen völlig aus dem kriminellen Millieu zu lösen. Das war aber wohl auch nicht die Absicht, denn dafür bräuchte es eine völlige Legalisierung, wie wir sie von Tabak und Alkohol kennen. Beide Länder haben aber mit der Lockerung ihrer Drogengesetzgebung grundsätzlich positive Erfahrungen gemacht. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine Kriminalisierung von Cannabiskonsum sich positiv auf die Anzahl der Konsumenten auswirkt, eher ist das Gegenteil der Fall. Zudem nimmt die Zahl der Drogentoten ab, was sicherlich auch daran liegt, dass die Hemmschwelle, Hilfe anzunehmen, sinkt, wenn Drogen weniger stark kriminalisiert werden und die Gefahr von Bestrafung somit abnimmt, außerdem an einer Fokussierung auf Prävention und Aufklärung statt Strafe. Auch widerlegen die Erfahrungen in den Niederlanden und Portugal den Mythos von der „Einstiegsdroge“ Cannabis.
Am Beispiel Christiania zeigt sich, dass die rigorose Durchsetzung von Verboten teils zu Nebeneffekten führt, die sich weit negativer auswirken, als die Duldung von an sich illegalem Verhalten. Es wird spannend zu beobachten, ob Dänemark Cannabis bald ganz legalisiert (die konservative Mehrheit in der Regierung ist dagegen) und wie sich das langfristig auswirken wird. Die bisherigen Erfahrungen mit zumindest gelockerter Prohibition lassen eine Verbesserung für alle Beteiligten wahrscheinlich und eine vollständige Legalisierung von Cannabis wünschenswert erscheinen.
Zitat von Glen Greenwald:
The data show that, judged by virtually every metric, the Portuguese decriminalization framework has been a resounding success.