Ich mag, wie er denkt. Da fällt mir ein, ich muss noch dieses Buch lesen, das er mir empfohlen hat, Uncreative Writing von Kenneth Goldsmith. Wobei ich über Goldsmith Schlechtes gelesen habe, aber das hatten wir schon, das gehört nicht hier her. Ihr könnt ja stattdessen diesen langen Artikel über Gregor lesen. Der fängt schön kafkaesk an. (scnr)
„He knew that this friend often hosts international guests, but Weichbrodt, finding the apartment’s contents labeled with their own names, was nonetheless struck by a feeling of disorientation. Der Kühlschrank on the refrigerator; die Wand on the wall“
„Ich bin zwar kein Experte für rechtsnationales Wutsprech im Internet, aber nachdem ich diese Art von Texten eine Weile vor mit hatte, erscheint mir die Syntax fast einzigartig, so als hätte die Gruppierung ihren eigenen Schreibstil gefunden.“
Das Internet spielt auf Twitch grad gemeinsam Dark Souls, das vielen als eines der härtesten Spiele der Welt gilt: http://www.twitch.tv/twitchplaysdark.
Das geht so: Ein anonymer User hat ein Skript geschrieben, das Worte aus dem Twitch-Chat in Spielbefehle überträgt. Man steuert also die Spielfigur durch Kommentare im Chat. Allerdings mit etwas Lag, wohl irgendwas zwischen 20 und 40 Sekunden.
Klingt nach Chaos? Ist es auch. Man hat bei Twitch Plays schon Erfahrungen mit solchen Experimenten. Zuvor wurde unter anderem Pokémon „gemeinsam“ gespielt : http://www.twitch.tv/twitchplayspokemon.
Anfangs lief das sogar ziemlich gut, aber als mehr und mehr Spieler auf Twitch Plays Pokemon aufmerksam wurden, passierte genau das, was man erwarten würde. Die zahlreichen Eingaben, viele von ihnen in bester Absicht, viele aber auch Trollerei, führten dazu, dass es unmöglich wurde, Fortschritt im Spiel zu machen. Zumal es ein paar Stellen im Spiel gibt, die Genauigkeit erfordern.
Wie läuft das Experiment Twitch Plays Dark Souls? Bisher sieht alles sehr unbeholfen aus, die meiste Zeit haut die Spielfigur gegen irgendeine Wand. Aber vorhin wurde erfolgreich ein Skelett erledigt, da geht also was!
Endlich wieder Links der Woche. Es gab viel zu tun und wenig Zeit zum Lesen und Bloggen. Aber jetzt! Los geht’s mit Menschen, die sich für tot halten.
Menschen, die unter dem seltenen Cotard-Syndrom leiden, glauben von sich, sie wären eigentlich tot. Daher hat man dem Syndrom auch den Namen Walking Corpse Syndrome gegeben. Seit Entdeckung der Krankheit 1880 wurden knapp 100 Fälle von Cotard-Syndrom dokumentiert. Für Living with the Dead ist Erika Hayasaki nach Mexiko gereist und hat mit Patienten, Angehörigen und Ärzten gesprochen. Spannendes Thema, das auch mal wieder zeigt, wie fragil das Gleichgewicht eigentlich ist, das Menschen mehr oder weniger „normal“ funktionieren lässt und wie schwerwiegend Veränderungen in diesem System sich auswirken können.
Apropos menschliche Psyche: Sagt euch ASMR was? ASMR steht für autonomous sensory meridian response, ein wissenschaftlich nicht bewiesenes Phänomen, das sich wie ein angenehmes Kribbeln im Hirn anfühlen soll. Man kommt zur Ruhe. Um diesen Zustand zu erzeugen werden Videos produziert, die Millionen mal geklickt werden. Eine der bekanntesten ASMRtists ist Ally Maque und deren neueste Videos überschreiten die Grenze in Science Fiction-Territorium. Sehenswert! Lest unbedingt auch den Artikel The brain-tingling world of ASMR collides with science fiction für die Hintergrundinfos.
Warum Katniss Everdeen, die Protagonistin von Suzan Collins Hunger Games Trilogie, eine der Ikonen moderner Popkultur ist wichtiges Vorbild für viele jugendliche Frauen, so ein guter und wichtiger Charakter ist und mit welchen „Tricks“ Collins diese faszinierende Heldin geschaffen hat, könnt ihr in dem Artikel The Antianorexic Heroine erfahren. „Katniss’s destiny is to be enormous.“
Interessante Gedanken zu (unbezahlter) Arbeit, Verantwortung, Mega-Maschinen & Mega-Algorithmen, Kollaboration im Digitalen und der Kommerzialisierung jedes Lebensbereiches macht sich Jathan Sadowski in dem Essay From Mega-Machines to Mega-Algorithms. Mir persönlich zu technologiekritisch und was Kapitalismus mit dem Ganzen zu tun haben könnte, wird ausgeblendet. Trotzdem lesenswert.
In the basement with transhumanism’s DIY cyberpunks muss ich euch natürlich empfehlen. Ein toller Text über Transhumanismus und speziell über DIY Biohacker und Grinder, in dem es auch um Grindhouse Wetware und Tim Cannon geht. Tim war ja noch in der Gründungsphase des Cyborgs e.V. bei uns zu Besuch, was der Artikel auch erwähnt. Warum Tim allerdings von der c-base als „Schloss“ spricht – keine Ahnung.
Geschlecht wird konstruiert und Unisex ist tot. Wie kommt das? Styles for Him—and Her geht der Frage nach, warum die heutige Mode viel geschlechtsspezifischer gestaltet ist als noch in den 1950ern mit ihren rigiden Rollenbildern.
Das sehr persönliche Essay über weiblichen Schmerz, Verwundungen und Leiden von Leslie Jamison spricht sicher nicht jeden Leser an, aber wenn es einen anspricht, ist Grand Unified Theory of Female Pain ein sehr wertvoller Text, längst nicht nur für Frauen.
Surprise! Bitcoins haben ein Frauenproblem. Man schätzt, dass 96% der Bitcoin-Community männlich sind. Vom Erfolg der Währung würden also wie so oft fast ausschließlich Männer profitieren. Die dann Frauen im NSFW subreddit r/GirlsGoneBitcoin mit Bitcoins fürs Posieren bezahlen. Neue Währung, gleiche Verteilung.
What’s life like for a man who tastes words? gibt euch eine Vorstellung davon, wie lebt es sich mit Synästhesien lebt. Wie es ist, wenn Konsonanten einen Geschmack haben und Namen nach Joghurt und das Wort Joghurt nach Haarspray schmecken.
Ich finde es immer noch schwer, zu glauben, dass ein Online-Marktplatz für Drogen wie Silk Road überhaupt jemals funktionieren konnte, aber es gab ihn bekanntermaßen, sogar recht lange. Bei Wired gibt es einen tollen Long-Read über die unglaubliche und unerzählte Geschichte hinter Silk Road. Am 14. Mai erscheint ein zweiter Teil, die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt.
Die Grenze zwischen Virtualität und Realität verschwimmt zusehends. Unser Gehirn hält beides für real, wenn die Parameter stimmen. This Is Your Avatar Speaking stellt spannende Fragen zum Selbstbild in Zeiten von Avataren.
Die Story, die GamerGate letzte Woche am meisten geärgert hat, war Game of Fear. Aus gutem Grund: Zeigt sie doch deutlich, dass #GamerGate von Beginn an ein Mob war, der in erster Linie Frauen belästigt und bedroht hat.
Aufstieg und Fall des Steven Seagal in Russland beleuchtet Putin’s Action Hero: How Steven Seagal Became the Kremlin’s Unlikeliest Envoy. Wie konnte es dazu kommen, dass ausgerechnet der nahezu völlig aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwundene Actionfilm-Schauspieler Steven Seagal zum zeitweilig wahrscheinlich mächtigsten Nicht-Russen im Land aufsteigen konnte? Ziemlich wilde Geschichte.
Sexbots sind auch so ein faszinierendes Thema. Is This the Dawn of the Sexbots? (NSFW) gewährt einen Blick hinter die Kulissen des „Rolls Royce unter den Sex Doll-Fabrikanten“ und beschäftigt sich mit den Gründen, die zur Entstehung von Sexbots führten, was das über uns und unsere Sexualität aussagt, warum das Thema viele Menschen so fasziniert (Stichwort Blade Runner, Real Humans, Her, Ex Machina) und was es für die Zukunft bedeuten könnte.
The Onion hat als Satire auf Zeitungen mit denselben Prolemen wie diese zu kämpfen. Printsterben, Monetarisierung ihres Contents online, etc. Letztlich zwingt das The Onion sich genauso wie die persiflierten Zeitungen zu handeln. Oh the irony! The Onion is not a Joke.
Zum Schluss noch ein Long Read, den ich euch sehr ans Herz lege, jetzt wo ihr bis hierhin gekommen seid: GHOSTS OF IGUALA Mexico: How 43 students disappeared in the night. Großartiger Journalismus. Es geht um Verschwörungen, Normalistas, falsche Anschuldigungen und absichtliche Lügen, Social Justice, Bandenkriege, Ermordungen, Erpressungen und Entführungen, Drogen, korrupte Politiker und das organisierte Verbrechen, zivilen Ungehorsam und Protest. Selbst die Armee mischt mit.
Zwei unglaubliche Zahlen aus dem Artikel: Aktuell gelten laut offiziellen Angaben über 22.000 Bürger Mexikos als vermisst und es wird angenommen, dass seit 2006 70.000 Menschen beim Durchqueren des Landes spurlos verschwunden sind.
Das ist jetzt echt lang geworden, aber ihr könnt euch die Links ja einteilen. Wer weiß, wann ich das nächste Mal zum Bloggen komme. ;)
Damit ihr euch nicht wundert: Nerdcore und Schlecky Silberstein tauschen heute ihre Blogs. René bloggt auf http://www.schleckysilberstein.com/ und Christian bei http://www.crackajack.de/. Ich bin gespannt. Ich glaube, heute lese ich mal Kommentare. Beide Blogger gehen doch sehr verschieden an Content heran.
Rutherford Chang hat im Rahmen des Projekt We Buy White Albums 693 Kopien des White Albums der Beatles gesammelt und 100 davon gleichzeitig abgespielt. Die Alben sind in unterschiedlich gutem Zustand und unterscheiden sich auch herstellungsbedingt in kleinen Details voneinander. Zusammen abgespielt summieren sich die „Fehler“ und das Ergebnis ist ein ganz neues Album. Verrauschter, experimenteller und psychedelischer produziert. Unbedingt mal reinhören.
Zeitraffer trifft Kaleidoskop. Ich hab die Dinger geliebt. Meine Oma hatte so ganz billige, aus Pappe. Konnte ich stundenlang angucken. So ähnlich geht es mir mit dem Videoprojekt „Mirror City“ von Michael Shainblum (bis auf die Musik, die gefällt mir weniger).
Im Zeitraffer sieht man schön die Gleichartigkeit der Bewegungen. Menschen, Autos – sie bewegen sich gleichförmig und geordnet. Lichter gehen rhythmisch an und aus. Formen und Gebäude wiederholen sich. Das kombiniert mit Spiegelungen für den Kaleidoskopeffekt wirkt sehr hypnotisch und zugleich wie eine Ode an die Stadt als Lebensraum. Shainblum nennt das „visuelle Stimulation“.
Aufgenommen wurden die Bilder übrigens in Chicago, San Francisco, San Diego, Las Vegas und Los Angeles. Die Herstellung des Videos dauerte viereinhalb Monate.