Dank der freundlichen Menschen von Reprodukt hatte ich die Möglichkeit die deutsche Ausgabe von Craig Thompsons Habibi zu lesen. Craig Thompson hat für Blankets, eine autobiografische Coming-Of-Age-Story, viel Lob bekommen. Ich habe den Comic auch schon seit längerer Zeit im Auge gehabt, selbst aber nie gelesen, weil er leider nicht ganz billig ist. Für Habibi nahm Thompson sich sieben Jahre Zeit. Ob es sich gelohnt hat, könnt ihr hier nachlesen.
Mit fast 700 Seiten ist Habibi wirklich umfangreich geraten. Die deutsche Ausgabe kommt chic daher, mit reich verziertem Hardcover, Lesebändchen und guter Papierqualität. Habibi liest man eher auf der Couch oder im bequemen Lesesessel, für die kurze Lektüre in Bus und Bahn ist das gute Teil einfach zu schwer und sperrig. Dank der edlen Optik macht sich Habibi gut im Bücherregal.
Thompsons Zeichenstil gefällt mir sehr gut. Für Habibi ließ er sich von fernöstlicher Ornamentik und Kalligrafie beeinflussen. Seine Zeichnungen sind meist klar, aber detailliert, mitunter sind einzelne Seiten oder Panels richtige kleine Kunstwerke, in denen sich das Auge endlos verlieren kann. Wie Blankets ist Habibi komplett in schwarz und weiß gehalten, ich habe aber an keiner Stelle Farbe vermisst, ähnlich wie bei Terry Moore wirken Thompsons Zeichnungen in schwarz-weiß einfach besser. Ästhetisch ist Habibi absolut gelungen.
Zur Geschichte mag ich euch nicht zuviel erzählen, ich denke Habibi wirkt umso besser, je weniger man vorher darüber weiß. Thompson ließ sich von christlicher und islamischer Religion inspirieren und schuf vor diesem Hintergrund tausendundeine Geschichte um zwei Kinder und ihre Erlebnisse auf dem Weg zum Erwachsen werden. Das Alles wirkt irgendwie zeitlos und märchenhaft, aber immer wieder fügt Thompson Details ein, die klar machen, dass wir hier eben doch kein Märchen vor uns haben. Mitunter ist Habibi fast erschreckend brutal, aber die Brutalität passiert im Kopf des Lesers, nicht in den Zeichnungen. Verschiedene Zeitebenen werden auf gekonnte Art miteinander verwoben und es entsteht ein Geschichtenteppich, wie er in Comicform selten ist. Habibi ist zugleich eine Geschichte von der Liebe, den Religionen und vom Erwachsen werden. Thompson setzt sich mit Themen wie Umweltverschmutzung, Rassismus, Vergewaltigung und Kastration auseinander, er unternimmt Exkursionen in die Kalligrafie oder die Alchemie, aber das Alles kommt erstaunlich unanstrengend daher, was seinen Qualitäten als Geschichtenerzähler und Zeichner zu verdanken ist. Als jemand, dem Religionen eher fremd sind, hatte ich anfangs Befürchtungen, das könnte ein Problem darstellen, aber die wurden schnell zerschlagen. Thompson stellt auch für eigentlich nicht religiöse Menschen spannende Zusammenhänge her, er zeigt die Geschichten hinter der Moral und diese Geschichten sind spannend und zutiefst menschlich.
Ich bin von Habibi sehr begeistert. Wer einen gehaltvollen, wunderbar gestalteten, Comic sucht, liegt mit Habibi genau richtig. Habibi ist ein Roman, der als Comic daher kommt, eben im besten Sinne eine Graphic Novel. Unbedingt lesenswert!
Eine umfangreiche Leseprobe findet ihr bei Reprodukt, da könnt ihr euch auf über 20 Seiten selbst ein Bild davon machen, warum Habibi so toll ist.