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Matt Kindt: Mind MGMT – Ein Mindfuck in Wasserfarben?

Falls ihr wie ich ein wenig traurig darüber seid, dass demnächst mit Heft 40 Jeff Lemires tolle Serie „Sweet Tooth“ zu Ende geht: Grämt euch nicht, etwas Ähnliches ist in Gestalt von „Mind MGMT“ schon unterwegs. Damit lehne ich mich zugegebenermaßen weit aus dem Fenster, sicher ist es nach zwei Heften natürlich noch nicht, aber wie ich finde: absehbar.

Matt Kindt Mind MGMT #1 Cover

Matt Kindts „Mind MGMT“ ist eine neue fortlaufende Serie von Dark Horse Comics, ein Verlag, der mir in letzter Zeit (neben Image Comics) immer besser gefällt. Was aber auch mit der, zumindest subjektiv, abnehmenden Qualität der Comics aus dem Hause Vertigo zu tun haben dürfte. Aber das nur am Rande.

Matt Kindt kennt ihr vielleicht als nagelneuen Schreiberling von „Frankenstein – Agent of S.H.A.D.E“ (welches er von Jeff Lemire, übrigens einem guten Freund, übernimmt) oder auch als Zeichner eines Story Arcs in dessen Sweet Tooth. Sein Debut hatte Kindt mit dem von Kritikern ziemlich gelobten „Pistolwhip“, habe ich selbst aber nie gelesen.

Mit „Mind MGMT“ schreibt Matt Kindt sowas wie einen Mysterythriller. Naja, eher einen Spionageroman mit geheimnisvollem Touch. Nein, eher ein ziemlich abgefahrener Mix aus Grant Morrissons (oder David Lynchs) überbordendem Einfallsreichtum, Verschwörungstheorie, Independent Comic und – nun ja – Sweet Tooth.

Die scheinbare Ähnlichkeit mag aber auch mit den Zeichnungen zusammenhängen, immerhin kommt es nicht allzu häufig vor, dass eine fortlaufende Serie in einem der großen Mainstreamverlage von einer einzigen Person erdacht, geschrieben und gezeichnet wurde. Und Kindt pflegt einen ähnlich unverwechselbaren Stil wie Lemire.

Beide gehen ähnlich expressiv zu Werke, zeichnen nicht sehr sauber, sondern mit viel Energie. Kindts Zeichnungen sind deutlich blasser als Lemires, wirken wie mit Wasserfarbe gezeichnet, aquarellartig. Die Stile ähneln sich auf den ersten Blick sehr, unterscheiden sich im Detail deutlich, wirken aber beide sehr indie. Daher wird der Vergleich mit Lemires Sweet Tooth wohl noch des Öfteren gezogen werden. Diesen Vergleich muss Mind MGMT aber keineswegs scheuen. Soviel lässt sich nach zwei veröffentlichten Heften bereits sagen. Wo Matt Kindt mit Mind MGMT genau hin will, ist unklar, aber dass es interessant werden dürfte, zeichnet sich schon deutlich ab. Das war bei Sweet Tooth damals nicht anders.

Die Story von Mind MGMT beginnt mit unerklärlichen Gewaltausbrüchen. Die ersten paar Seiten sind sehr beeindruckend, sie schaffen eine bedrückende, unangenehme Atmosphäre, fast ohne Text und ohne Protagonisten, die dem Leser Identifikationspotential bieten würden. Der Rest des Comics dreht sich größtenteils um Meru, einer erfolglosen Schriftstellerin, die mysteriöse Fälle von Amnesie untersucht. Wie kann es sein, dass alle Fluggäste eines Linienfluges (Flug 815) gleichzeitig unter Gedächtnisverlust leiden? Oder ein gesamtes Dorf? Parallel dazu laufen noch andere, teils viel kleinere Geschichten oder Teile von Geschichten, mal mit Bezug zum aktuellen Heft, mal mit Bezug zum nächsten.

Es geht um Agenten, um Menschen mit besonderen Fähigkeiten, im weitesten Sinne mit „Superkräften“. Mind MGMT ist eine Art CIA für besonders begabte Menschen, genaueres ist noch nicht bekannt. An den Rändern jeder Seite des Comics verstecken sich kurze Hinweise für Agenten, der sogenannte Mind MGMT Field Guide, der dem Geschehen mitunter noch eine weitere Ebene Bedeutung hinzufügt. Mind MGMT ist, liest man sorgfältig, ziemlich komplex. Das bemerkt aber nur, wer sich darauf einlassen will. Wer möchte, liest Mind MGMT auch einfach schnell und flüssig weg und wird gut unterhalten.

Fazit: lasst euch von den Zeichnungen bloß nicht abschrecken! Ihr gewöhnt euch dran. Folgt der interessanten Handlung. Achtet auf die liebevoll versteckten Details. Unterstützt ambitionierte Nachwuchsautoren, die den Sprung von Indie zu Mainstream wagen. Im Comic ist das schließlich gar nicht so verkehrt.