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Enigma – „Why Shouldn’t The Next Messiah Be Gay?“

Heute möchte ich einen Klassiker der Comicgeschichte besprechen. „Enigma“ vom Briten Peter Milligan und gezeichnet von Duncan Fegredo gehört zu den Comics, die Anfang der 90er Jahre dazu beigetragen haben, den Ruf von Vertigo als Label für herausragend gute Comics zu begründen. „Enigma“ erschien 1993 in acht Heften.

Enigma Comic

Mir ist Milligan noch gut im Gedächtnis, weil ich großer Fan der zu früh abgesetzten Serie „Greek Street“ war, die antike Götter, Wunder und Dramen auf die dreckigen Straßen einer modernen Stadt verlagerte. In der jetzigen, überhastet zum Ende gebrachten Form, kann ich „Greek Street“ leider nur für Fans empfehlen, wer eine großartige Geschichte erwartet, die in einem fulminanten Finale gipfelt, wird enttäuscht werden.

Da Peter Milligan bereits seit den 80ern im Geschäft ist, gibt es viele Möglichkeiten, mal was von ihm gelesen zu haben. So schrieb er unter Anderem für die Serien 2000AD, Hellblazer, Animal Man und Detective Stories. Darüber hinaus war er für den Revamp von „Shade – The Changing Man“ verantwortlich und schrieb auch sonst so einige Geschichten, wie Skreemer, Enigma, The Extremist oder Skin.

Ich mag Milligan für seine Erzählweise. Sie ist dreckig, rotzig und wirkt oft wirr, gleichzeitig aber tief verwurzelt in unserer (Pop-)Kultur. Wenn man ihn lässt, ist Milligan aber durchaus in der Lage, all seine abgefuckten Ideen irgendwann im Lauf der Geschichte zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Dass seine Geschichten funktionieren, obwohl man förmlich merkt, wie es überall in der Erzählung knirscht und knarrzt, liegt an der größten Stärke Milligans: Er schreibt realistisch agierende Charaktere, die keine Blaupausen sind, sondern sich im Verlauf der Geschichte teils drastisch entwickeln. Ich würde nicht soweit gehen, Milligans Erzählweise als charakterzentriert zu bezeichnen, dafür haben seine Charaktere zuviel Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Meistens agieren sie nicht, sondern werden eher passiv von Ereignis zu Ereignis geworfen. Aber ohne diese menschlichen Charaktere wäre es unmöglich, Milligans Geschichten zu genießen. Weil sich Milligan viel Zeit für seine Charaktere und ihre Entwicklung nimmt, fiebert der Leser mit, egal wie abgedreht sich alles gerade darstellt.

„Enigma“ kann diesbezüglich fast als Paradebeispiel gelten. Zu Beginn ist es gar nicht einfach, der Geschichte zu folgen. Alles beginnt im tiefsten Hinterland, irgendwo in Arizona. Vor 25 Jahren ist dort etwas geschehen. Was genau, erfährt der Leser nicht, nur soviel, dass es ganz sicher nichts Gutes war. Die Geschichte macht einen Sprung und lässt uns teilhaben an der Routine von Michael Smith, seines Zeichens Angestellter eines Telekommunikationsanbieters und privat eher ein Kontrollfreak (Sex nur Dienstag). Während er einem Kunden das Telefon repariert, finden Polizisten anderswo eine Leiche. Wie das alles zusammenhängt? Unklar: Milligan liefert die Antwort, aber erst später. Vorerst zieht er die Schraube noch weiter an. Glaubt mir, es werden sehr seltsame Dinge geschehen, noch ehe das erste Heft zu Ende geht. Diese Verwirrung steigert Milligan von Heft zu Heft weiter. Er beantwortet ein paar brennende Fragen, so dass der Leser einordnen kann, was Sache ist, gleichzeitig wirft er aber sofort neue auf. Wo das hinführt? Das weiß man, typisch für Milligan, erst ganz zum Schluss.

Die Zeichnungen von Fegredo sind, wie oft bei Milligan, stilistisch gut auf die Geschichte abgestimmt. Gerade zu Beginn der Serie wirken sie teils arg fahrig, als wäre nicht genug Zeit gewesen, ihnen den nötigen Feinschliff zu verpassen, je mehr Durchblick Michael im Verlauf der Geschichte bekommt, umso heller und detaillierter werden sie. Ein kleines Stilmittel, dass mancher Leser vielleicht nicht bewusst bemerkt, aber es wirkt trotzdem auf ihn. Sehr selten war mir der Stil zu „gritty“, so dass kaum erkennbar war, was eigentlich gerade passiert, insgesamt muss man sich aber einfach dran gewöhnen und dran bleiben.

Die Panels sind eher unspektakulär angeordnet, man merkt aber, dass auch dahinter eine Strategie steckt. Immer wieder ist man verblüfft, wie viel Effekt sich mit Kleinigkeiten, wie einem Panel ohne Rahmen in der Mitte der Seite, erreichen lässt. Als Vergleich würde ich hier Jeff Lemire bemühen, auch wenn dessen Colorierung sich von der „Enigmas“ deutlich unterscheidet und er nicht ganz so dreckig zeichnet wie Fegredo.

Wie euch sicher nicht entgangen ist, habe ich viel über die Story „Enigmas“ geredet, es aber vermieden, euch Details der Handlung zu verraten. Ich habe sonst keine großen Hemmungen, ein wenig zu spoilern, aber „Enigma“ wirkt einfach am Besten, je weniger man darüber weiß. Außerdem ist es erstaunlich schwierig, wirklich zu sagen: „In „Enigma“ geht es um das und das“. Man würde dem Comic damit nicht gerecht werden. Milligan schneidet in dieser Serie eine ganze Menge Themen an, manche sind zentral für die Geschichte, andere nicht. Ich glaube, Enigma hat auch fast 20 Jahre nach seinem Erscheinen ein gewisses Potential, kontrovers diskutiert zu werden. Es ist ein Comic mit Ecken und Kanten. Und deswegen mag ich „Enigma“ so.

DC New 52 Justice League Dark #1 – Vertigo-Helden retten das DC-Universum

Auf Justice League Dark hatte ich mich von Beginn an gefreut. Es wird geschrieben von Peter Milligan (dessen leider viel zu früh gecanceltes Greek Street ich sehr mochte und dessen bisheriger Beitrag zum DC-Neustart, Red Lantern, auf seltsame Weise ebenfalls unterhaltsam war) und gezeichnet vom mir unbekannten Mikel Janin. Und es spielen tolle Charaktere mit.

Justice League Dark #1 Cover

Cover: Justice League Dark #1 war eines der Hefte, die ich allein aufgrund ihres Covers (von Ryan Sook) haben wollte. Das Motiv ist irgendwie spannend. Ich erkenne Deadman darauf und andere Personen. Das geschulte Auge könnte mehrere Charaktere darauf zuordnen, mir gelingt das nicht mit Sicherheit, aber nach dem Lesen ist man schlauer. Man weiß, dass die verrückt grinsende im grünen Dress, Enchantress ist und das sich im Vordergrund Madame Xanadu, John Constantine, Zatanna, Shade und Deadman befinden. Das Cover ist seltsam verzerrt, offenbar befindet sich irgendwo ein Sog oder die Wahrnehmung der Szene ist verschoben, wie in einem Alptraum.

Story: Überall passieren seltsame Dinge. Die Justice League (hier bestehend aus Wonder Woman, Superman und Cyborg) findet schnell heraus, wer die Schuld daran trägt: Enchantress. Verrückt geworden ist sie nun eine Gefahr für die ganze Welt. Also machen sich die Drei auf den Weg, um sie zu stoppen und scheitern spektakulär. Gegen Zauberei hilft nur -genau- Zauberei. Also macht sich Madame Xanadu, eine Hellseherin (und noch viel mehr, aber das ist eine Geschichte, die unter anderem in Madame Xanadu bei Vertigo Comics erzählt wurde), daran, eine Gruppe magisch begabter Helden gegen sie aufzustellen.

Review: Was für tolle Protagonisten. Ich mag Constantine, ich mag Madame Xanadu, ich mag Shade. Ich finde Deadman spannend, Zatanna kenne ich nicht, aber hey, sie kann zaubern. Enchantress als sehr mächtige Hexe dürfte der richtige Widersacher für solch eine Gruppe sein, die Aussichten sind düster und Batman tritt auch noch auf. Was will man mehr?

Eigentlich reicht das völlig, um mich zufrieden zu stellen. Das Heft beginnt mit Andeutungen (Madame Xanadu legt das Tarot) und es endet mit Andeutungen. Dazwischen passieren wirklich sehr seltsame Dinge, über Allem liegt eine gewisse Düsternis, die mir zusagt.

Die Zeichnungen von Janin passen gut zum Ton der Serie. Sie sind düsterer als in vielen anderen Superhelden-Comics. Insgesamt ist es schwer zu sagen, was ihre Eigenständigkeit für mich ausmacht, aber ich würde behaupten, Janin ist in seinem Stil ziemlich wandelbar. Je nach Szene zeichnet er mal im typischen Vertigo-Stil (gedecktere Farben, stimmungsvoller), nur um beim Auftritt von Superman und Co in den knalligeren, bunten Look ebendort umzuschalten. Mir gefällt’s.

Fazit: Ich habe das ungute Gefühl, Justice League Dark #1 unter Umständen besser zu finden, als es eigentlich ist. Zu deutlich ist dieses Heft als eine Art Einstiegspunkt für Vertigo-Leser gedacht. Vom Autor über das Superheldenteam bis zum Stil ist alles lecker angerichtet. Das klingt nach einem billigen Rezept, aber ich kann trotzdem nicht anders, als es zu mögen.

Weitere Infos rund um Comics gibt es beim weltbesten Comic-Händler Grober Unfug.

DC New 52 Red Lantern #1 Review – With Blood And Rage (und viel Gefühl!)

Nach dem Green Lantern-Debakel hatte ich zugegebenermaßen etwas Bauchschmerzen, als ich mir Red Lantern #1 beim Comicladen meines Vertrauens Grober Unfug holte. Der Titel klingt doch arg nach einem Rip-Off von Green Lantern. (Hey, die Leute finden Green Lantern toll. Lass uns sowas in der Art nochmal machen! – Ok, ich hab’s: Red Lantern – quasi dasselbe, nur noch dämlicher!) Wär mir eigentlich herzlich egal, aber geschrieben wird das Ganze von niemand Geringerem als Peter Milligan (Greek Street, Enigma, und viele weitere tolle Comics), den ich wirklich sehrrr schätze.

Red Lantern #1 Cover

Cover: Das Cover sieht auf den ersten Blick nicht vielversprechend aus. Ein glatzköpfiges Alien in rotem Anzug, dahinter andere seltsame Figuren in roten Anzügen. Ich war nicht begeistert, ohne Milligan hätte ich mir den Titel nicht geholt. Aber je länger man es sich anschaut, umso mehr Details fallen einem auf.

Story:
Atrocitus, letzter Hinterbliebener seines Volkes und ein (oder der?) Red Lantern hat ein Problem: Seit Green Lantern Hal Jordan seinen Erzfeind und den Vernichter seines Volkes, Krona, umgebracht hat, ist Atrocitus nicht mehr wütend. Zumindest nicht so wütend wie früher. Da ein Red Lantern aber Wut braucht, um seine Macht entfalten zu können, muss er eine Möglichkeit finden, sich wieder ordentlich über etwas aufregen zu können. Oh – und er muss sein Team im Zaum halten, denn Wut macht nicht gerade empfänglich für Befehle.

Review: Die Story klingt scheiße, oder? Aber lasst euch nicht täuschen. Von der ersten Seite an ist Red Lantern ein Heidenspaß! Red Lantern sieht toll aus, Ed Benes hat wirklich gute Arbeit geleistet. Milligan weiß, wie man Comics schreibt. Als gleich zu Beginn des Comics besteht ein Kampf zwischen einem blauen Katzenwesen im Red Lantern-Anzug (diese Splashpage!) und sadistischen Aliens entbrennt, hatte Milligan mich. Auf den weiteren Seiten stellt Milligan kurz das Red Lantern- Team vor, ein nicht gerade vertrauenerweckender Haufen, wir erfahren erstaunlich viel über Atrocitus Vergangenheit und seine Motive und wir werfen einen Blick in die Zukunft. Hier passiert auf jeder Seite etwas, obwohl knapp die Hälfte des Heftes aus Rückblicken besteht! Es wechseln sich Action und Drama ab und fast nebenbei bekommt der Hauptcharakter etwas Tiefe. Auch das hier ist pure Unterhaltung (siehe kämpfendes Katzenwesen), aber es ist zeitgemäß und eben nicht dämlich.

Fazit: Milligan beginnt mit einem Paukenschlag, um dann nach und nach erstaunlich viel Hintergrundstory und Gefühl in Red Lantern #1 zu packen. Die Zeichnungen gefallen mir ausgesprochen gut. So schreibt man actionreiche Comics, Herr Johns!