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Ein paar Richtigstellungen, bezüglich #listengate

Seit Ewigkeiten mal wieder Piratencontent. Sorry! Aber #listengate ist durchaus spannend: Da hat ein Pirat (die Meinungen gehen da etwas auseinander, aber das Selbstbild ist klar) einen Crawler geschrieben oder schreiben lassen, der über 4000 Twitteraccounts, ausgewählt nach irgendwelchen Kriterien (mehr dazu gleich), durchforstet und von mehr oder weniger „kritischen“ Tweets nach irgendwelchen Kriterien Screenshots speichert. Und darüber diskutiert man jetzt verständlicherweise.

tsearch.bundes.it Screenshot

Bestimmte „Argumente“ kommen dabei von Verantwortlichen und Befürwortern immer wieder, obwohl sie eigentlich Quatsch sind. Los geht’s.

1. Die Seite dient der Transparenz. Wer dagegen ist, ist gegen Transparenz.

Piraten, Transparenz, klar, dass dieses Argument kam. Doof nur: Die Seite ist und war alles andere als „transparent“. Niemand außer dem Mackher/den Mackhern dahinter kennt die Kriterien, nach denen Screenshots dort gespeichert werden. Aber man ahnt was, wenn man sich anguckt, was so interessant gefunden wird. Es werden viele linke Accounts „gecrawled“. Viele Feministinnen. Viele Aktivistinnen. Viele Piraten oder Menschen, die über Piraten reden.

Mittlerweile gibt es auf der Startseite kein Verzeichnis der überwachten Accounts mehr (aber pastebin vergisst nix, falls ihr unbedingt suchen wollt). An seine Stelle ist ein langer und doofer Disclaimer getreten. Außerdem wurden Hinweise auf den direkten Zusammenhang der Seite mit der Zuse-Crew und damit der Piratenpartei Deutschland entfernt. Wohl, damit sich diese leichter distanzieren kann. Wobei sie teils sehr hart an der Unwahrheit schrammen, in ihrem Bemühen, nix damit zu tun zu haben. Mehr zum Zusammenhang zwischen der Seite und der Piratenpartei: siehe Lüge 6. Ist jedenfalls alles andere als transparent, was da abgeht.

2. Der Crawler ist nix Anderes als eine Suchmaschine. Findet ihr Google etwa auch schlimm?

Die auf der Seite gesammelten Screenshots werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt und ganz viel taucht gar nicht auf. Siehe Antwort 1. Die Accounts werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Das ist selektiv und kein Vergleich zu Suchmaschinen, die zwar gewichten, aber prinzipiell wenn möglich nicht auswählen und damit ein- und ausschließen.

3. Öffentliche Daten kann jeder sammeln, wie er will.

Kann man schon. Ist halt oft scheiße. Wie in diesem Fall, wo sich unter Nazis gerüchteweise schnell rumgesprochen hat, dass es da ne ganze Liste mit Screenshots von Äußerungen eher linker Twitteraccounts gibt. Kommt den Nazis sicher nicht ungelegen, man könnte durchaus sagen: Es spielt ihnen sehr wahrscheinlich in die Hand. So ein bequemer Zufall. Gaaaanz schwer vorstellbar, dass sowas Konsequenzen haben könnte. Für Menschen, die den Betreiber der Seite überhaupt nicht kennen.

4. Die Seite ist keine Überwachungsliste. Sie wertet nicht.

Siehe erste und zweite Lüge. Natürlich wertet die Seite, nach irgendwelchen obskuren und intransparenten Maßstäben. Aber mit einer ziemlichen Tendenz in Richtung links. Die Seite dient darüber hinaus sogar der Einschüchterung ausgewählter Menschen. Bereits die erste Version der Seite war laut Simon Lange, der wohl Betreiber der Seite ist, „so effektiv, dass bestimmte Personengruppen mit ähnlichen Duktus nach anfänglichen Aufschrei sich beherrschten.“ Ziemlich deutlich, alles andere als neutral.

Im selben Blogpost deutet Lange noch an, die Seite mehr oder weniger aus Notwehr, als Verteidigung gegen Mobber und Abmahner gestartet zu haben. Was ja wohl was über die Accounts aussagen dürfte, die dort gesammelt werden. Nicht werten geht anders. Selbst Fefe hat das missverstanden! Außerdem: Sehr piratig, diese „Urpiraten“, findet ihr nicht?

Simon Lange selbst fasst das netterweise nochmal zusammen.

„So dient die Suchmaschine mehreren sinnvollen Zwecken:
1. Abmahnungen auf provozierte Reaktionen sind damit deutlisch erschwert.
2. Recherchezwecken.
3. Dokumentation von Ereignissen (Bombergate, Molligate, aBPT, …)

Ein weiterer positiver Aspekt ist wohl auch, dass Menschen jetzt ggf. bewusster via Twitter ihre Nachrichten verschicken.

Man beachte die geschmackvolle Gate-Auswahl. Das nur am Rande. Nicht rechts, nicht links, sondern vorne.

5. Wer die Seite kritisch findet, versteht nicht, dass jeder Tweet öffentlich ist.

Ganz billige Polemik. Ich weiß genau, dass Tweets öffentlich sind. Ich muss sie deswegen trotzdem nicht auf jeder Seite sehen wollen. Schon gar nicht Tweets, die irgendwelche Typen ausgewählt haben, weil sie sie irgendwie relevant fanden. Das kann ich sowas von scheiße finden, ohne dabei ihre Öffentlichkeit zu verkennen.

Auch gern genommen: Der Hinweis, dass die Seite bereits seit längerer Zeit existiert, als wäre das irgendein Argument. Ich erinnere mich, dass viele in meiner Timeline bereits vor Monaten auf die Seite hingewiesen und sie kritisiert haben. Umso schlimmer, dass offenbar erst jetzt, wo über 4000 Accounts betroffen sind, die kritische Masse erreicht wurde, damit die Seite auch als ein Parteiproblem gesehen wird!

6. Dieser Server steht mit KEINER politischen Partei in Verbindung und nein auch keiner „Gesinnung“ oder auch „Die Seite hat nichts mit der Piratenpartei zu tun.“

Gestern sah das noch anders aus.

Mittlerweile wurde die Seite leiiicht verändert. Fast kein Hinweis mehr auf die Zuse-Crew, bekanntlich die angeblich „erste Berliner Crew“ der Piratenpartei. Jetzt steht da BundesIT, was wohl auch leicht missverständlich ist. Fast kein Hinweis mehr:

Hinzu kommt, dass Simon Lange so eine Art Schrödingers Pirat ist. Angeblich weiß niemand so genau, ob er grad Mitglied ist oder nicht. Lange jedenfalls sieht sich als „Pirat seit 1984“. Da springt mein Spidey-Sense an und mein innerer Sherlock Holmes ahnt einen Zusammenhang mit einer bestimmten Partei. Maybe it’s just me. Andererseits hat man sich ja minimaldistanziert, ich bin wohl doch nicht so allein.

Kleiner  „Witz“ zum Ende hin

Opt-Out aus ner Überwachungsliste. [Ich hab hier nach und nach viel editiert, aber das hier ist ne richtige Ergänzung]: Selbst wenn man von der Seite „ausgetragen“ wird, werden Beiträge trotzdem gespeichert. Sie werden nur versteckt.

Danke für diesen Hinweis an @netnrd. Sicher die Traumvorstellung urpiratiger Sozialliberaler, oder wie die sich mittlerweile nennen. Zusels. Und jetzt wünsch ich mir dass die Piratenpartei sich richtig von denen distanziert. Oder die Piratenpartei macht den Weg frei für eine bessere Partei. Hihi.

7. Das ist post-privacy.

Achtung! Piraten! – Barracuda 1. Sklaven & Barracuda 2. Narben

Mir wurden freundlicherweise Rezensionsexemplare von Barracuda #1 (Sklaven) und Barracuda #2 (Narben) aus der Ehapa Comic Collection zur Verfügung gestellt (Danke auch an @quitzi vom Berliner Comicshop Grober Unfug für die Vermittlung), um sie in meinem Blog zu besprechen.

Barracuda Comic Cover
Zuerst ein paar grundlegende Infos: Barracuda ist eine auf drei Bände (á 56 Seiten) ausgelegte französische Comicserie, von der bisher zwei Teile erschienen sind. Erdacht wurde Barracuda von Jean Dufaux (bereits ein alter Hase im Comicgeschäft), der sich, wie er im lesenswerten Vorwort bekennt, bei vielen Piratenstories, von alten Errol Flynn-Filmen bis zu „Pirates Of The Carribean“, bediente, um seine eigene Version einer spannenden Piratengeschichte zu erzählen. Gezeichnet hat „Barracuda“ der Newcomer Jérémy. In Deutschland wird Barracuda in der Ehapa Comic Collection veröffentlicht. Ein Band kostet 13,99€, dafür bekommt der Käufer aber auch ein schön großformatiges Hardcover, so dass die Zeichnungen gut zur Geltung kommen. Zum unterwegs Lesen eignet sich Barracuda dadurch allerdings nicht.

Der titelgebende „Barracuda“ meint keinen Raubfisch und keinen Mensch – nein, Barracuda bezeichnet das Schiff unter der Kontrolle des gefürchteten Kapitäns Blackdog. Dieses spielt zu Beginn von Band 1 eine wichtige Rolle, führt es doch, im Rahmen einer Seeschlacht, alle Protagonisten zusammen und in die Handlung ein. Von zentraler Bedeutung sind hier drei Jugendliche an der Grenze zum Erwachsenenalter: Raffy, Sohn von Kapitän Blackdog, Maria, aus dem reichen Haus Scuebo und Emilio, ein Bediensteter des Hauses Scuebo. Ihre Schicksale sind in Barracuda eng miteinander verwoben.

Schon die düsteren Cover versprechen einen dunklen, blutigen Trip und Barracuda ist wirklich um Einiges brutaler als beispielsweise „Pirates Of The Carribean“. Was sehr gut ist, ich bin nämlich kein großer Fan der überladenen, eher unernsten Filme. Piraten taugen nicht als Role-Models und eine Welt, in der es von Piraten wimmelt, dürfte für niemanden ein Vergnügen sein. Es ist Dufaux und Jérémy hoch anzurechnen, dass sie ihre eigene Stimmung schaffen und die ist nicht von Witzen, sondern dem ständigen Kampf um Reichtum und das eigene Überleben geprägt. Barracuda lässt sich hier am Ehesten mit dem Klassiker „Die Schatzinsel“ vergleichen, einem Buch, das ich in meiner Jugend sehr gemocht habe. Durch hier und da eingestreute historische Begebenheiten wird der Leser in eine Welt zurückversetzt, in der Spanien die Weltmeere befährt und Südseeinseln reinste Sündenpfuhle unter einer strahlenden Sonne sind. Hier ist niemand einfach gut und jeder verbirgt ein dunkles Geheimnis.

In dieser Welt entwickeln sich unsere drei Protagonisten auf ganz verschiedene Art und Weise und im Verlauf der Geschichte wird keiner von ihnen vor Schicksalsschlägen verschont. Widmet sich Band 1 „Sklaven“ noch eher der Einführung der Charaktere, so geht es im zweiten Teil „Narben“ darum, wie sich Raffy, Maria und Emilio angesichts ihrer gefährlichen Umgebung entwickeln. Das ist eine wirkliche Stärke von „Barracuda“. Die Charaktere wandeln sich teils stark, aber es gelingt Dufaux und Jérémy, diese Veränderungen für den Leser nachvollziehbar zu machen, auch wenn er die Entwicklung unter Umständen nicht gutheißen mag. Genretypisch gibt es auch immer wieder Actionszenen, aber diese werden vor allem eingesetzt, um die Charakterentwicklung voran zu treiben. Auch Romantik und Liebeleien kommen nicht zu kurz, Barracuda spielt außerdem ein wenig mit Geschlechterklischees, was ich erfrischend fand.

Jérémys Zeichnungen würde ich als klassisch bezeichnen, sie wirken „europäisch“ und heben sich stilistisch deutlich von US-Importen ab. Die Charaktere lassen sich alle problemlos unterscheiden, die Panels fließen natürlich, der Leser stellt sich nie die Frage, was eigentlich gerade passiert. Dass Jérémy ursprünglich eher im Mangastil zeichnete, merkt man an verschiedenen Stellen noch und das ist gut so. Mal ist es das Charakterdesign, mal ein ungewöhnlicher Blickwinkel – solche Kleinigkeiten verhindern, dass aus „klassisch gezeichnet“ „langweilig“ wird. Jérémys Zeichnungen sind frisch und modern und passen wunderbar zum Setting, auch wenn er sich mit Experimenten zurück hält.

In Band 1: Sklaven ruckelt es erzählerisch manchmal noch etwas. Manchmal fiel es mir schwer, beim ersten Lesen und Betrachten der Handlung zu folgen und mich für die Charaktere zu erwärmen. Spätestens in Band 2:Narben hat die Erzählung dann aber ihr Tempo gefunden, die Charaktere sind eingeführt und man kann nicht mehr aufhören zu lesen. Hat man „Narben“ zu Ende gelesen (was trotz „nur“ 56 Seiten dauert, „Barracuda“ ist sich nicht zu fein, euch eine Menge Text zu liefern), will man am Liebsten direkt wissen, wie die Geschichte von Raffy, Maria und Emilio weiter geht. Leider muss man sich bis dahin noch gedulden, Band 3 ist noch nicht erschienen.

Wer sich für Piraten interessiert, dem kann ich Barracuda bedenkenlos ans Herz legen. Wer sich selbst ein Bild machen will, findet hier eine Leseprobe (deutsch, PDF) .

Piratenpartei gegen geplante Änderungen der Rundfunkgebührenerhebung

Grad frisch rein: Piratenpartei gegen geplante Änderungen der Rundfunkgebührenerhebung (verfasst von Daniel Flachshaar).

Falls ihr von den geplanten Änderungen noch gar nichts wusstet, müsst ihr die Pressemitteilung sowieso lesen. Ihr kriegt dort die wichtigsten Infos und Argumente geliefert. Was euch natürlich nicht davon abhalten soll, sie kritisch zu durchdenken. Ich habe das für mich getan und kann mich kurzfassen:  Seh ich hundertprozentig genauso. Die dort angedachten Änderungen kann man vernünftigerweise nur ablehnen, so wie man die GEZ und ihre Praktiken insgesamt nur ablehnen kann.

Link: Schwedische Piratenpartei führt Frauenquote ein

Nur ganz kurz der Link. Ich bin selbst noch unentschlossen, wie ich das werte:

Was bleibt nach der Wahl?

Legen wir den gestrigen Tag zu den Akten. Die Folgen müssen wir noch lang genug ertragen. Schauen wir kurz zurück, um uns über beachtliche 2% Wählerstimmen für die Piratenpartei zu freuen. Blicken wir dann aber konsequent in die Zukunft. Es gibt viel zu tun.  So schlimm schwarz-gelb für uns alle auch werden wird- für die Piratenpartei ist es ein Glücksfall, denn ihr Einsatz für Bürgerrechte und gegen staatliche Willkür werden wichtiger sein als je zuvor. Im besten Fall weiß in 4 Jahren endlich jeder, wozu die CDU fähig ist und wohin uns radikaler Neoliberalismus führen wird. Klar, besser wäre es gewesen, die Wähler hätten das schon früher verstanden, aber egal wie schlimm es in ein paar Jahren aussehen wird: Zu spät gibt es nicht. Der Kampf um die Freiheit geht weiter. Die Piratenpartei wird eine zentrale Rolle in ihm spielen und langfristig stärker sein als je zuvor.

Ti_Leo verlinkt einmal mehr nach seiner Meinung Lesenswertes

Wenn ihr auch mal wieder was Kritisches, aber Konstruktives lesen wollt, klickt ihr hier und lest etwas über die Zukunft der Piratenpartei. Über Chancen und Risiken. Wer will, kann verdammt viel Input aus dem gar nicht so langen Artikel ziehen. Ich finde ihn verdammt gelungen, er spricht mir quasi aus der Seele. Auch ich fürchte, dass er am Sonntag etwas Trost spenden und den Weg weisen wird. Aber hey- kein Grund, den Kopf hängen zu lassen, falls es nicht klappt mit 5 Prozent. Es brechen so oder so interessante Zeiten an. Es wird Veränderungen geben. Wenn nicht am Sonntag, so doch bald! Es hat bereits begonnen.

Linksammlung Piraten und Feminismus

Möchte euch die Linksammlung Piraten vs. Feminismus von i heart digital live nicht vorenthalten. Dort sind ein paar sehr lesenswerte Artikel verlinkt. Einen Teil der Texte kennt ihr vielleicht schon, ich habe aber doch ein paar Neue entdeckt.  Hab die Überschrift abgeändert, hier, weil mir „vs“ in diesem Zusammenhang zu stark erscheint. Es muss kein contra sein, sondern ein Miteinander. Einige der Texte sind offensichtlich kritisch und/oder anklagend, andere bringen den Leser zum Nachdenken, nehmen die Piraten nur als Ansatzpunk für weitergehende Gedanken oder stellen sich hinter den Umgang der Piraten mit der Geschlechterfrage. Die Liste kann auch durchaus als erster Kontakt mit einigen sehr spannenden Blogs genutzt werden. Über Links dort kann man mehr und mehr Blogs zum Thema entdecken und sich immer weiter informieren und auf dem Laufenden bleiben. Lest selbst, denkt selbst. Informiert euch, dort und anderswo. Wer Geschlecht überwunden haben will, muss es erst einmal verstanden haben!

Piraten und das Geschlecht – eine unendliche Geschichte?

Die Piraten leben Gleichberechtigung. Unterdrückung aufgrund eines Geschlechts ist für sie kein Thema mehr, alles längst ausdiskutiert und passé.

Ich zitiere Ennomane:

Piraten haben etwas gegen Feminismus, weil sie niemals auf die Idee kämen, frauenfeindlich zu sein und gedanklich schon längst im Postfeminismus angekommen sind, der einfach nur jeden Menschen unabhängig vom Geschlecht betrachten will.

Wie passt die Gründung einer AG „Männerpolitische Themen“ ins Bild? Muss das beobachten, aber grad bin ich ziemlich baff. WENN das nicht direkt gegen Gleichberechtigung geht, aufgrund dieser bescheuerten These vom unterdrückten Mann, dann ist es zumindest wieder eine politische Dummheit.

Würde mich freuen, wenn ihr mir das in einem kurzen oder langen Kommentar mal erklären könntet. Vielleicht seh ich den Zusammenhang einfach falsch.

Warum Ti_Leo Piratenbashing gut findet

Okay, die Grünen und Linken wettern bei Twitter und in der Taz gegen die Piraten. Bestimmte Blogs tun es ebenfalls. Manchem, der die Piraten gern bei der Bundestagswahl die 5%-Hürde knacken sehen würde, passt das nicht. Kann ich durchaus verstehen, nur frage ich mich: Mit welcher Argumentation kann man denn etwas gegen eine politische Auseinandersetzung haben? Mir fällt keins ein. Für mich gehört genau das zu freier Meinungsäußerung. Jeder darf über die Piraten sagen, was er denkt. Ich empfinde es als unpiratig, wenn man Menschen den Mund verbieten will, weil sie das falsche denken und die Piratenpartei unwählbar oder einfach kacke finden. Ich finde es unpiratig, wenn Andere beleidigt werden oder wenn man sich dem Gespräch entzieht. Das Blöde ist: Andere dürfen das, sie schaden dann ihrem Ruf. Meiner liegt mir am Herzen. Jeder darf sich blamieren, ich würde mich aber nie unter ein gewisses Niveau begeben, nur um contra geben zu können. Manches muss ich einfach hinnehmen. Frau von der Leyens ewige Lügen. Schäubles Stasi-Statements. Das Piratenbashing von Zeitrafferin, fixmbr und wie sie alle heißen.

Mein Glück: Die sind mir ziemlich egal. Was sie schreiben, ist nicht gut genug, um mich ernsthaft zur Auseinandersetzung zu zwingen. Ich muss ihre Artikel nicht einmal auseinander nehmen, um zu zeigen, wie unsachlich hier teilweise vorgegangen wurde.

Auslöser der neuesten Diskussionen war ein Artikel von Andreas Popp in der Jungen Freiheit, einem national-konservativen Blatt. http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display.154+M53306d54de9.0.html

Nationalkonservativ bin ich zu 100% überhaupt gar nicht, den Artikel fand ich aber gut. Popp hat klar gemacht, wo die Piraten seiner Meinung nach politisch stehen, nämlich nicht rechts. Klar, keine wirkliche Überraschung, aber er sagt das in einer rechten Zeitung, erreicht dort also ne ganze Menge Menschen, von denen die Piraten wollen, dass sie wissen, dass sie sich nicht einspannen lassen.

Jetzt wird ihm vorgeworfen, dass er damit dieser Zeitung nützt und in gewisser Weise stimmt das vielleicht. Aber eigentlich kann er nur dem nichtlesenden Leser dieser Zeitung nützen, wer den Artikel liest, stellt schnell fest, dass es Popp gut gelungen ist, das „richtige“ zu sagen. Und natürlich muss man auch mit Rechten reden. So wie man mit Linken und Piraten diskutieren muss.

Was mir nicht gefiel, war Popps Entschuldigung. http://andipopp.wordpress.com/2009/09/14/zum-interview-mit-der-jungen-freiheit/ Statt nochmal klarzustellen, dass sein Freiheitsbegriff auch einschließt, mit politischen Gegnern sachlich zu diskutieren, macht er auf Unkenntnis und diskreditiert dadurch nicht nur sich selbst, sondern die ganze Partei. Medienkompetenz? Sechs setzen. Das hätte man vermeiden sollen. Nicht das Interview.
Problem ist also: Laut Meinung mancher (einiger), haben die Piraten mal wieder einen Fehler gemacht. Wie schon mehrmals geschehen, holen sie ihre Keulen raus und werfen den Piraten Blindheit auf dem rechten Auge vor. Moment: Streng genommen ist das kein Problem, sondern politische Praxis. Problem ist viel eher die Reaktion manches Piraten auf solch eine Auseinandersetzung. Auf einen schlechten Text mit Beleidigungen zu reagieren, schadet nicht dem Textschreiber, sondern dem Beleidigenden. Beleidigungen haben hier nichts verloren. Bloggt gegen die Negativ- Blogs an. Redet miteinander und mit anderen.
Für die Bundestagswahl ist das bisschen Auseinandersetzung mit den Piraten irrelevant oder es wird sich sogar positiv auswirken. Für eine junge  Partei, die noch immer nicht der Großteil der Bevölkerung kennt, gibt es keine schlechte Publicity. Alles nützt ihrem Bekanntheitsgrad. Und das ist gut. (Was nicht heißt, dass sie nochmal Fehler machen muss. Wenn sie sich vermeiden lassen, bin ich sehr dafür, vorher nachzudenken.^^) Wichtig ist, wie die Piratenpartei damit umgeht. Ziemlich gut, meiner Meinung nach. Wichtig ist auch, wie ihre Anhänger damit umgehen. Und da kam es zu Beleidigungen, was ich klipp und klar scheiße finde. Und da kann ich dann manchmal fast verstehen, warum die Kritiker teils auch überreagieren. Lasst uns zurückkehren zu sachlichen Diskussionen. Das hat lange Zeit so gut funktioniert. Auch und gerade kurz vor der Bundestagswahl wäre es ein falsches Signal, in Panik zu geraten und über die Stränge zu schlagen.

Wenn sie keine Ahnung hat, muss grad die Piratenpartei die Klappe halten

http://sh15.nordpiraten.net/component/content/article/269–wahlumfragen-wertlos.html

Momentan geistern vermehrt Blogbeiträge durchs Netz, in denen das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Emnid (bzw. TNS Infratest, Infratest Dimap, wie auch immer die eigentlich genau heißen) kritisiert wird. Das ist an sich gar nicht verkehrt. Was mich stört, ist die schlechte Argumentation der Artikel, die offensichtliche Ahnungslosigkeit und das zu kurz Gedachte.

Nehmen wir exemplarisch den Artikel der Nordpiraten mal genauer unter die Lupe, damit klar wird, was ich meine:

Das Rätsel um den großen Unterschied der enormen Präsenz der Piratenpartei in den sozialen Netzwerken und im Internet insgesamt gegenüber dem, was die Meinungsforschungsinstitute zur vermeintlichen Wirklichkeit erklären, ist, zumindest was EMNID angeht, gelöst. In den „Sonntagsfragen“ von EMNID kommt die Piratenpartei nämlich nicht vor. So einfach ist das.

Wer nicht arg uninformiert ist, weiß schon ewig, dass bei der Sonntagsfrage nur die etablierten Parteien direkt erfragt werden, alle „Kleinparteien“ nur unter „Sonstige“ zusammengefasst werden. Das ist genormt, das muss so sein, wenn die Umfrage „repräsentativ“ sein soll. Das kann man falsch finden. Rätselhaft ist es nicht.

So schwer das für einige Piraten einzusehen ist: Die Piratenpartei ist klein und im täglichen Leben vieler (wahrscheinlich sogar: der meisten) Menschen kaum bis überhaupt nicht präsent. Wer nun nach den Piraten fragt, müsste gerechterweise auch nach DVU, NPD, Republikanern, MLPD, Tierschutzpartei, den Violetten und so weiter und so fort fragen. 27(!) Parteien insgesamt. Das würde die Befragung natürlich aufblasen und in die Länge ziehen. Das wiederum mögen die Anrufer nicht. Es geht um eine kurze, möglichst relevante Befragung. Das wird erreicht, indem man alle bedeutenden Parteien abfragt. Zu denen gehört die PP nicht. Es ist also ganz furchtbar verständlich und leicht zu erklären, warum die Piratenpartei nicht extra genannt wird. Sie wird einfach wie alle anderen Kleinparteien behandelt.

Warum ist die Piratenpartei im Netz so erfolgreich, offline aber nicht? Nun, sie ist eine Partei, die aus dem Netz kommt und deren Mitglieder im Netz aktiv sind. Sie kennt hier die Spielregeln. Dass sich diese nicht eins zu eins auf den Offline- Wahlkampf übertragen lassen, lernt sie gerade. Sie kämpft hier plötzlich gegen deutlich erfahrenere Parteien; braucht Geld, um Präsenz zu kaufen (siehe Sammlung für den Wahlwerbespot) und die Zielgruppe ist heterogener als im Netz. Sie muss, anders als im Netz, erst erklären, warum sie überhaupt für irgendetwas relevant sein sollte und stößt oft genug auf offene Ablehnung. Sie macht Fehler.

Der gesamte Wahlkampf läuft nach veränderten Regeln und die Piraten sind gerade erst dabei, diese zu erlernen und für sich zu nutzen. Wo sie online einen Wissensvorsprung besitzen, haben sie offline einen klaren Nachteil. Wer da ein Rätsel oder Schlimmeres sieht, muss ein ziemliches Brett vorm Kopf haben.  Niemand muss die Realität verbiegen, um festzustellen, dass die Piraten offline noch recht unsichtbar sind. Dafür brauchts keine Befragungen. Ihre Ideen sind noch nicht weit verbeitet. Man vertut sich da mitunter, eben weil sie im Netz überall sind. Irgendwelche dubiosen Verschwörungstheorien sind unnötig und peinlich. Sie zeugen von einer seltsamen Hybris, die sicherlich nicht gesund ist.

Kommen wir zu der ach so entlarvenden Aussage:

Hey

wollte nur mal Bescheid sagen, dass Emnid mich heute angerufen und die Sonntagsfrage gestellt hat. Die Piratenpartei wurde nicht aufgezählt. Ich hab dann gesagt, ich wähle die Piratenpartei. Kam dann zurück: „Was ist das denn, kenn´ ich ja gar nicht“ :)

Also ich glaub ihr müsst noch ein bisschen öffentlichkeitswirksamer werden oder Emnid bestechen, grenzt ja fast an Manipulation ;)

Genaugenommen entlarvt sich hier der Artikelschreiber. Da stehts doch: Wachsen, präsenter werden. So  einfach ist es. So unspektakulär. Dem Status der Kleinpartei und dem Fluch der Sonstigen müssen die Piraten aus eigener Kraft entkommen. Und danach sieht es im Moment sogar aus. Es besteht kein Anlass zu unhaltbaren Anschuldigungen. Man kann und sollte ganz sachlich bleiben. Die Sonntagsfrage taugt nichts als Aufhänger; jetzt krampfhaft einen Aufreger daraus zu stricken, schadet dem Image.

Was am meisten schadet, ist aber das offensichtliche Unwissen über Hintergründe der Meinungsforschung. Emnid wird angegriffen, das ist legitim. Aber die Gründe sind falsch und zeugen von Mangel an Beschäftigung mit dem Thema. Das ist unverzeihlich und zutiefst peinlich, bei einer Partei, die oft genug und berechtigterweise, die Uninformiertheit etablierter Parteien kritisiert. Da diesbezüglich Nachholbedarf zu bestehen scheint, will ich die zentralen Fehlannahmen ganz kurz richtigstellen:

1. Die Sonntagsfrage ist starr formuliert. Das ist wichtig, damit jeder genau dieselbe Frage gestellt bekommt. Keinerlei Veränderung ist zulässig. Tendenziös ist sie also eben nicht, sie wäre es, wenn nur die Piraten hinzugefügt werden würden. Richtig ist: Die Fragestellung macht es kleinen Parteien schwer,  „nach oben zu kommen“, da erst gefordert wird, dass man sichtbar wird, im täglichen Alltag aller Bürger, bevor man abgefragt wird. Die Sonntagsfrage taugt nicht als „Werbung“ für kleine Parteien. Das ist halt so, auch wenn es einem nicht passt.

2. Der Interviewer hat nur Fragen zu stellen. Seine Meinung darf er nicht äußern, auch wenn er direkt gefragt wird, da dies eine Beeinflussung und Verfälschung sein könnte. Der Interviewer im Zitat hat demnach einen Fehler gemacht, aber komplett anders als dargestellt. Im Idealfall würde der Interviewer keine Partei kennen und keine Vorlieben haben, dann kann er niemanden bewusst oder unbewusst beeinflussen. Er soll nichts wissen, ist eine weiße Wand, die nur Antworten aufnimmt. Er unterhält sich nicht, er befragt. Das ist das Ziel seriöser Meinungsforschung, das wird dort vermittelt und auch regelmäßig kontrolliert und, bei Ausrutschern wie dem im Zitat, sanktioniert. Skandalös ist an der Aussage nichts, diese Unkenntnis wirkt sich logischerweise nicht aus, ist aber -und das ist viel interessanter- bezeichnend. Es mangelt der PP an Bekanntheit, immer noch. Löst das, statt euch in Verschwörungsgeschwätz zu verlieren.


Wo Kritik sinnvoller ansetzen könnte:

An der Sonntagsfrage allgemein. Ist sie noch zeitgemäß? Kann man sie verbessern?

An Telefonumfragen: Sind sie in Zeiten des Internets noch zeitgemäß?

An der Aussagekraft solcher Studien, also an Meinungsforschung allgemein.

Und vor allem: An der mangelnden Offline- Präsenz der PP. Nicht auf die anderen einhauen und sich dabei lächerlich machen, sondern etwas ändern, wäre die bessere Strategie.