Seit Ewigkeiten mal wieder Piratencontent. Sorry! Aber #listengate ist durchaus spannend: Da hat ein Pirat (die Meinungen gehen da etwas auseinander, aber das Selbstbild ist klar) einen Crawler geschrieben oder schreiben lassen, der über 4000 Twitteraccounts, ausgewählt nach irgendwelchen Kriterien (mehr dazu gleich), durchforstet und von mehr oder weniger „kritischen“ Tweets nach irgendwelchen Kriterien Screenshots speichert. Und darüber diskutiert man jetzt verständlicherweise.
Bestimmte „Argumente“ kommen dabei von Verantwortlichen und Befürwortern immer wieder, obwohl sie eigentlich Quatsch sind. Los geht’s.
1. Die Seite dient der Transparenz. Wer dagegen ist, ist gegen Transparenz.
Piraten, Transparenz, klar, dass dieses Argument kam. Doof nur: Die Seite ist und war alles andere als „transparent“. Niemand außer dem Mackher/den Mackhern dahinter kennt die Kriterien, nach denen Screenshots dort gespeichert werden. Aber man ahnt was, wenn man sich anguckt, was so interessant gefunden wird. Es werden viele linke Accounts „gecrawled“. Viele Feministinnen. Viele Aktivistinnen. Viele Piraten oder Menschen, die über Piraten reden.
Mittlerweile gibt es auf der Startseite kein Verzeichnis der überwachten Accounts mehr (aber pastebin vergisst nix, falls ihr unbedingt suchen wollt). An seine Stelle ist ein langer und doofer Disclaimer getreten. Außerdem wurden Hinweise auf den direkten Zusammenhang der Seite mit der Zuse-Crew und damit der Piratenpartei Deutschland entfernt. Wohl, damit sich diese leichter distanzieren kann. Wobei sie teils sehr hart an der Unwahrheit schrammen, in ihrem Bemühen, nix damit zu tun zu haben. Mehr zum Zusammenhang zwischen der Seite und der Piratenpartei: siehe Lüge 6. Ist jedenfalls alles andere als transparent, was da abgeht.
2. Der Crawler ist nix Anderes als eine Suchmaschine. Findet ihr Google etwa auch schlimm?
Die auf der Seite gesammelten Screenshots werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt und ganz viel taucht gar nicht auf. Siehe Antwort 1. Die Accounts werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Das ist selektiv und kein Vergleich zu Suchmaschinen, die zwar gewichten, aber prinzipiell wenn möglich nicht auswählen und damit ein- und ausschließen.
3. Öffentliche Daten kann jeder sammeln, wie er will.
Kann man schon. Ist halt oft scheiße. Wie in diesem Fall, wo sich unter Nazis gerüchteweise schnell rumgesprochen hat, dass es da ne ganze Liste mit Screenshots von Äußerungen eher linker Twitteraccounts gibt. Kommt den Nazis sicher nicht ungelegen, man könnte durchaus sagen: Es spielt ihnen sehr wahrscheinlich in die Hand. So ein bequemer Zufall. Gaaaanz schwer vorstellbar, dass sowas Konsequenzen haben könnte. Für Menschen, die den Betreiber der Seite überhaupt nicht kennen.
4. Die Seite ist keine Überwachungsliste. Sie wertet nicht.
Siehe erste und zweite Lüge. Natürlich wertet die Seite, nach irgendwelchen obskuren und intransparenten Maßstäben. Aber mit einer ziemlichen Tendenz in Richtung links. Die Seite dient darüber hinaus sogar der Einschüchterung ausgewählter Menschen. Bereits die erste Version der Seite war laut Simon Lange, der wohl Betreiber der Seite ist, „so effektiv, dass bestimmte Personengruppen mit ähnlichen Duktus nach anfänglichen Aufschrei sich beherrschten.“ Ziemlich deutlich, alles andere als neutral.
Im selben Blogpost deutet Lange noch an, die Seite mehr oder weniger aus Notwehr, als Verteidigung gegen Mobber und Abmahner gestartet zu haben. Was ja wohl was über die Accounts aussagen dürfte, die dort gesammelt werden. Nicht werten geht anders. Selbst Fefe hat das missverstanden! Außerdem: Sehr piratig, diese „Urpiraten“, findet ihr nicht?
Simon Lange selbst fasst das netterweise nochmal zusammen.
„So dient die Suchmaschine mehreren sinnvollen Zwecken:
1. Abmahnungen auf provozierte Reaktionen sind damit deutlisch erschwert.
2. Recherchezwecken.
3. Dokumentation von Ereignissen (Bombergate, Molligate, aBPT, …)Ein weiterer positiver Aspekt ist wohl auch, dass Menschen jetzt ggf. bewusster via Twitter ihre Nachrichten verschicken.
Man beachte die geschmackvolle Gate-Auswahl. Das nur am Rande. Nicht rechts, nicht links, sondern vorne.
5. Wer die Seite kritisch findet, versteht nicht, dass jeder Tweet öffentlich ist.
Ganz billige Polemik. Ich weiß genau, dass Tweets öffentlich sind. Ich muss sie deswegen trotzdem nicht auf jeder Seite sehen wollen. Schon gar nicht Tweets, die irgendwelche Typen ausgewählt haben, weil sie sie irgendwie relevant fanden. Das kann ich sowas von scheiße finden, ohne dabei ihre Öffentlichkeit zu verkennen.
Auch gern genommen: Der Hinweis, dass die Seite bereits seit längerer Zeit existiert, als wäre das irgendein Argument. Ich erinnere mich, dass viele in meiner Timeline bereits vor Monaten auf die Seite hingewiesen und sie kritisiert haben. Umso schlimmer, dass offenbar erst jetzt, wo über 4000 Accounts betroffen sind, die kritische Masse erreicht wurde, damit die Seite auch als ein Parteiproblem gesehen wird!
6. Dieser Server steht mit KEINER politischen Partei in Verbindung und nein auch keiner „Gesinnung“ oder auch „Die Seite hat nichts mit der Piratenpartei zu tun.“
Gestern sah das noch anders aus.
.@balu Es steht Zusecrew drunter, Zusecrew ist ein Bestandteil der #Piraten, also muss die Partei was dazu sagen pic.twitter.com/MV1Hg0HJwh
— ♚Elquee♚ (@Elquee) 9. Juli 2014
Mittlerweile wurde die Seite leiiicht verändert. Fast kein Hinweis mehr auf die Zuse-Crew, bekanntlich die angeblich „erste Berliner Crew“ der Piratenpartei. Jetzt steht da BundesIT, was wohl auch leicht missverständlich ist. Fast kein Hinweis mehr:
Hm, NoScript fragt mich bei http://t.co/WvBF2P1gPA ob ich zuse-crew.de erlauben möchte. — Bolkerito (@Bolkerito) 10. Juli 2014
Hinzu kommt, dass Simon Lange so eine Art Schrödingers Pirat ist. Angeblich weiß niemand so genau, ob er grad Mitglied ist oder nicht. Lange jedenfalls sieht sich als „Pirat seit 1984“. Da springt mein Spidey-Sense an und mein innerer Sherlock Holmes ahnt einen Zusammenhang mit einer bestimmten Partei. Maybe it’s just me. Andererseits hat man sich ja minimaldistanziert, ich bin wohl doch nicht so allein.
Kleiner „Witz“ zum Ende hin
Wer ausgetragen werden möchte schreibt mir BITTE eine Mail an abuse@bundes.it unter nennung seines twitternamens&nachweis dass ihr es seid.
— No Power To Dimwits (@piratsimon) 10. Juli 2014
Opt-Out aus ner Überwachungsliste. [Ich hab hier nach und nach viel editiert, aber das hier ist ne richtige Ergänzung]: Selbst wenn man von der Seite „ausgetragen“ wird, werden Beiträge trotzdem gespeichert. Sie werden nur versteckt.
@Phaidr0s Kompromatmaschine… ROFL…. Obwohl Du als Nerd Crawler nicht begriffen hast. Habe ich Dich hidden gesetzt. cc @ZuseCrew
— No Power To Dimwits (@piratsimon) 10. Juli 2014
Danke für diesen Hinweis an @netnrd. Sicher die Traumvorstellung urpiratiger Sozialliberaler, oder wie die sich mittlerweile nennen. Zusels. Und jetzt wünsch ich mir dass die Piratenpartei sich richtig von denen distanziert. Oder die Piratenpartei macht den Weg frei für eine bessere Partei. Hihi.