De Maizière haut in einem Taz- Interview ordentlich auf den Putz. Die Rede ist von angeblichen „No-go-Areas“ im Internet, in die sich niemand mehr traut und laut Zdnet träumt er von der Verstaatlichung von IP Domain- Adressen. Wobei die das wiederum laut eigener Aussage von Spiegel Online haben, im verlinkten Text ist es aber nur sehr schwammig formuliert:
Zu dem Umstand, dass derzeit weitgehend private Einrichtungen das Internet kontrollieren, sagte er: „Das wird keine ausreichende Antwort für die Zukunft sein“.
Eventuell ist das Ganze also tatsächlich falsch auf zdnet zu lesen. Staatliche Kontrolle des Online- Datenverkehrs will de Maizière aber in jedem Fall verstärken. Wozu das Ganze? Lest selbst und bewundert die durchdachte Argumentation:
Taz: Warum muss der Staat sich einmischen, wenn es auch ohne ihn funktioniert?
De Maizière: Weil das Internet kein rechtsfreier Raum sein darf.
Also wenn euch das jetzt nicht überzeugt, weiß ich auch nicht weiter. (Die Verstaatlichung von IP Domain- Adressen würde übrigens ein Abschalten von Domains ohne Kontrolle durch die Justiz oder auch das Knüpfen von Bedingungen an die Adressvergabe ermöglichen. Bisher geschieht die Vergabe über private Organisationen. Streitigkeiten müssen vor Gericht beigelegt werden. Das Ganze funktioniert, wie wir alle wissen, recht gut.)
Wolfgang Thierse soll, wenn es nach Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, geht, von seinem Posten als Bundestagsvizepräsident zurücktreten. Wieso? Na weil er sich an einer friedlichen Demonstration gegen Nazis beteiligt hat. Ihr findet das gut? Wendt belehrt euch eines Besseren: Für ihn ist Thierse
die personifizierte Beschädigung des Ansehens des deutschen Parlaments.
Der Berliner Innensenator Körting erklärt das Ganze nochmal pöbelgerecht: Wenn alle so handeln würden wie Thierse,
könnten gerade die Polizisten in schwierige Situationen kommen. Diese müssten den Teilnehmern die Versammlung ermöglichen, täten dies auch schweren Herzens, und müssten dann gegen die Blockierer vorgehen.
Das sieht in Berlin übrigens so aus. (Altersverifikation notwendig!) Schuld war wahrscheinlich die gestolperte Person, die den armen Polizisten böswillig überforderte.
Nun, lieber Leser, entscheide selbst: Wer soll dein Herzblatt sein? Der sicherheitsfanatische Krawallrhetoriker oder der hippieske Vollblutdemokrat?
Die TAZ titelt: Frauen stimmten gegen Minarette. Das nennt sich „Analyse“, mich würde es allerdings wundern, wenn sonderlich viele der im Artikel aufgestellten Behauptungen und Schlussfolgerungen wirklich fundiert und nachprüfbar wären.
Angeblich kam das überraschende Ergebnis des Referendums in der Schweiz zum Verbot von Minaretten dadurch zustande, dass linke feministische Frauen in der Schweiz für das Verbot stimmten, um ein Zeichen gegen eine „autoritäre Kultur“ zu setzen. Das wär natürlich ziemlich bescheuert. Mit Verboten gegen Autorität- fucking for virginity.
Statt sich zur reichlich vorhandenen Kritik zu äußern, nimmt Aaron Koenig, Mitglied im Bundesvorstand der Piratenpartei, das Thema dankbar auf:
„Ich verstehe den Volksentscheid in der Schweiz, der ja durch Stimmen aus dem linken, feministischen Lager entschieden wurde, als symbolisches Statement für die Werte der Aufklärung und gegen totalitären Fanatismus.“
Dass man sich über das Ergebnis des Schweizer Referendums besser gar nicht freuen sollte, ist ihm scheinbar immer noch nicht klar. Aber wenn doch sogar Feministinnen für das Verbot gestimmt haben, dann muss es wohl richtig sein. Immerhin sind die normalerweise auf Konfrontationskurs mit der Piratenpartei, weil die ihnen nicht links und feministisch genug ist. Wenn andere, tendenziell linke Menschen, für das Verbot sind, dann können die Äußerungen eines Aaron Koenig doch nicht rechts sein. Sehr seltsam gedacht das Ganze, denn natürlich machen ein paar verirrte Linke eine erzkonservative Argumentation nicht zu einer linken.
Somit lassen sich innerhalb der letzten drei Tage auf Aarons Blog gleich die beiden großen Probleme der Piratenpartei klar erkennen und nachlesen. (Selbstverständlich ist Aaron Koenig ein Einzelfall und die Partei distanziert sich in großen Teilen auch klar von ihm. Mehr noch: Er wird gerade von Parteimitgliedern äußerst vehement kritisiert. Ich finde seine Aussagen in der Tendenz allerdings „typisch“ für gewisse Denkmuster innerhalb der Piratenpartei, die dringend diskutiert werden müssen und auch eifrig intern diskutiert werden, siehe diese Erklärung)
Erstens mangelt es der Piratenpartei noch immer an Abgrenzung zum rechten Lager. Das resultiert meiner Meinung nach aus der Angst, sich festzulegen. Als ob man, würde man sich einmal klar gegen rechts positionieren, jede Chance vergeben hätte, etwas anderes als linke Politik zu betreiben.
Zweitens herrscht bei vielen Piraten eine Feminismus-Feindlichkeit vor, die vor allem aus Unwissen resultieren dürfte. Man bezeichnet sich als postfeministisch, dabei haben viele Mitglieder sich nie mit Feminismus auseinander gesetzt, scheint es. Das sollten sie dringend nachholen, bevor sie sich frech „postfeministisch“ nennen.
Taz- Redakteur Sebastian Heiser erwartet von Parteien Mut zur eigenen Meinung, hat aber vor allem Mut zu extrem gewagten bis offensichtlich unsinnigen Schlussfolgerungen.
Herr Heiser schreibt: Die Plakate der Piratenpartei sind eine Bankrotterklärung. Die Partei stößt die Fußgänger geradezu darauf, dass die Piraten noch kein umfassendes Programm haben, sondern sich hauptsächlich um ein Thema kümmern: die Freiheit im Internet. Das ist ein gutes Thema und es wurde Zeit, dass eine Partei sich darum so kümmert, wie es die Piratenpartei macht. Doch es gibt auch noch ein paar andere Probleme in der Welt – und zu den meisten haben die Piraten noch keine Position. Nichts macht das so deutlich wie dieses leere Plakat.
Dass das argumentativ nicht überzeugend und zusätzlich mies formuliert ist, merkt auch ein Laie sofort. Die Piratenplakate weisen also auf ehrliche, direkte Weise auf ein -auch für Herrn Heiser- wichtiges Problem hin. Wobei sich die Frage stellt, welches Plakat der gute Mann eigentlich gesehen hat, leer wird es sicher nicht gewesen sein, sonst wüsste er nicht einmal, dass es eines der Piratenpartei war.
Schon im zweiten Satz äußert sich das Unwissen Herrn Heisers, auf eine Weise, die einem Redakteur der Taz mindestens peinlich sein müsste, denn es geht den Piraten, so begrenzt ihre Themen auch sein mögen, mitnichten nur um „Freiheit im Internet“, es geht um Bürgerrechte. Davon sollte, wer sich an einen Kommentar macht und einen Ruf zu verlieren hat, im Zuge einer, egal wie kurzen, Recherche schon etwas gehört haben. Es hätte gereicht, einmal nach „Piratenpartei Deutschland“ zu googlen, dem erstbesten Link zu folgen, sich ganz kurz auf der offiziellen Seite der Piratenpartei zu orientieren, dann mutig auf „Unsere Ziele“ zu klicken und – Wunder über Wunder- dem Herrn Heiser wäre es erspart geblieben, so offensichtlichen Unsinn unter seinem Namen auf die Welt loszulassen. Wobei mein Mitleid mit einem Journalisten, dem schon 2 Klicks im Netz zuviel sind, um sich vernünftig zu informieren, sich in Grenzen hält.
Die Piraten sind also keine „Ein- Themen- Partei“, wie gebetsmühlenartig behauptet bzw. voneinander abgeschrieben wird, machen, anders als andere Parteien, aber tatsächlich keinen Hehl aus der Tatsache, dass sie kein Patentrezept für alles haben. Skandal. Frechheit. Oder eben doch einfach nur eines: ehrlich?
Weiter geht es mit Herrn Heiser und seinen gewagten Schlüssen. Da es noch andere Probleme als Bürgerrechte gibt, kommt das Plakat einer Bankrotterklärung nicht nur gleich, es ist eine? Für wen eigentlich, Herr Heiser? Die Piraten? Deutschland? Das Abendland? Ist die Geringschätzung der Bürgerrechte, wie sie nicht nur in diesem Kommentar, aber eben auch dort, durchschimmert, nicht Zeichen genug, dass es an der Zeit ist, Freiheit als einen ganz zentralen Punkt jeder Politik zu betrachten und endlich wieder ernstzunehmen?
Herr Heiser schreibt: Beim Thema Internet hat die Piratenpartei viele gute Forderungen, die in der Bevölkerung aber umstritten sind. Die Piraten sind zum Beispiel dagegen, den Zugang zu Kinderpornographie so zu erschweren, wie der Bundestag es beschlossen hat. Wenn man die Argumente der Piraten kennt, dann kann man ihre Position auch richtig finden. Doch wer seine Plakate leer lässt, anstatt darauf seine umstrittenen Forderungen zu erklären, der drückt sich feige weg. Und Feigheit ist nicht gerade sehr piratig.
Nun, ich bin sicher nicht der richtige, um Herrn Heiser zu erklären, dass Wahlplakate Wahlkampf sind und dass von ihnen keinerlei Erklärungen zu erwarten sind. Das macht auch keine andere Partei, weil sie dann nämlich nicht verstanden hätte, wozu Plakate dienen: Aufmerksamkeit erregen.
Das hat das Piratenplakat (welches auch immer) Bei Herrn Heiser (und sicherlich nicht nur bei ihm) ja offensichtlich geschafft. Ich weiß nicht genau, in welchem Land Herr Heiser lebt, in denen Parteien fundiert und mit Infos Wahlkampf betreiben, er sollte sich aber zumindest einmal den deutschen Wahlkampf ansehen, da ist das hundertprozentig nicht der Fall. Was eigentlich bedeuten soll, dass ich es toll fände, wenn es um Fakten ginge. Geht es aber eben nie. In Deutschland nicht. Bei Herrn Heiser vielleicht. Da ist es dann auch fast wieder verständlich, dass Herr Heiser die Erklärungen in den Medien einfach nicht mitbekommt (wobei die Piraten als kleine Partei außerhalb des Netzes natürlich nicht sehr präsent sind).
Im Netz jedenfalls findet sich das Wahlprogramm, es sind unzählige Diskussionen zum Thema einsehbar, mehr noch, jeder kann sofort mitdiskutierenund gestalten, sogar ohne selbst Mitglied zu sein, es wird hin und her überlegt, wie man es, trotz Mangel an finanziellen Mitteln, schafft, auch offline ins Bewusstsein der Menschen zu geraten, über einen Wahlwerbespot zum Beispiel, der- das jetzt für Herrn Heiser- es sogar ermöglicht, ein bisschen was zu erklären und das – Überraschung- sogar tut. Ich verlinke den mal, Google ist scheinbar ja nicht Herrn Heisers Stärke. Klicken kriegt er aber hoffentlich hin:
(einfach auf das „Dreieck“ klicken, Herr Redakteur, dann lädt das Video)
Was daran feige sein soll, bisher nicht die Möglichkeiten etablierter Parteien zu besitzen, erschließt sich mir nicht. Bekanntheit ist nicht mutig, sie ist oft genug nicht einmal verdient, auch hier hinkt die Argumentation arg, andererseits wundert mich das nach dem ersten Absatz schon kaum mehr. Fakt ist: Die Piraten haben innerhalb kurzer Zeit enorm viel Zulauf bekommen, andere Parteien mit ihrem Uraltwahlkampf träumen davon nicht umsonst!
Herr Heiser schreibt: Aber zeigt das Plakat nicht, wie basisdemokratisch die Partei ist? Keinesfalls. Eine Partei sollte intern offen diskutieren – und die Beschlüsse dann mit Entschiedenheit nach außen vertreten. Parteien sollten verlässlich sein. Die Piraten erwecken dagegen den Eindruck, sie hätten keine eigenen Überzeugungen, sondern würden ihre Fahne immer nach dem Wind drehen. Und das ist einfach gnadenlos populistisch.
„Keinesfalls.“ Der gute Herr Heiser, Redakteur bei der Taz, ist sich bei diesem Punkt bemerkenswert sicher, hat Demokratie anscheinend mit Löffeln gefressen, anders als all jene, die sich bei den Piraten engagieren. Basisdemokratisch ist, intern zu diskutieren und dann „nach außen“ zu vertreten. Das ist zwar richtiger Bullshit, der einem auf Anhieb auffallen sollte, aber wir sind mittlerweile im dritten Absatz des Kommentars, da schockt mich nichts mehr. Noch im ersten Absatz warf Herr Heiser den Piraten vor, sie hätten nur ein Thema, nun „drehen“ sie ihre Fahne plötzlich nach dem Wind. Ja was denn nun? Vertreten sie nur ein Thema oder nehmen sie einfach Themen anderer Parteien auf, sobald sie ihnen etwas nutzen?
Die Piraten könnten längst ein -sicher unausgereiftes- Komplettprogramm haben, sie müssten sich dann nicht immer wieder, von Qualitätsjournalisten, wie dem Herrn Heiser, den Vorwurf gefallen lassen, sie wären eine Ein- Themen- Partei und als solche nicht wählbar. Ihnen andererseits dann aber ein Anbiedern an die andern Parteien vorzuwerfen, das ist nur noch als schizophren zu bezeichnen, verständlich oder gar logisch ist es nicht.
Mit dem Plakat, um das es doch ursprünglich mal ging, hat das schon lang nichts mehr zu tun, aber „Intern offen“ zu diskutieren, ist wieder eine jener grandiosen Formulierungen, die Herrn Heisers Kommentar nicht nur zu Blödsinn, sondern zu Trash machen. Und da Trash so schlecht ist, dass er schon wieder Spaß macht, empfehle ich jedem, sich den Kommentar von Herrn Heiser, Redakteur bei der Taz, einfach nochmal auf der Zunge zergehen zu lassen. Für Trashfans ist er ein Fest, für Herrn Heiser ein Armutszeugnis.