Schlagwort-Archive: Technik

ti_leos Links zum Sonntag (KW 11)

Ich geh dann mal wieder meine Bookmarks durch und suche nach den interessantesten Links. Ich warne euch vor: Das werden dieses Mal echt viele Links. Dafür ist auch für alle was dabei: Süßes, Ernstes, Lustiges, Unlustiges, Musikalisches, Feministisches, Futuristisches, Kulturelles,  Schlaues, Dummes, Unendliches und Schönes.

ti_leos Links zum Sonntag (KW 11)

Eine Webcam zum Falken angucken. Wenn denn mal einer da ist. Ich kann bezeugen, dass die hin und wieder da sitzen und sich ausgiebig putzen.

Afrofuturism takes flight: from Sun Ra to Janelle Monáe: Weil ich grad ein Buch drüber las und Afrofuturismus total spannend ist.

Japan’s Internet Cafe Refugees: The future looks bleak.

Rewriting history won’t save the NYPD: Wikipedia Edit Wars mit dem NYPD? Klingt nach einem Witz, ist aber Realität.

American tourists carved initials into Roman Colosseum, took selfie: Na klar, was soll man auch sonst mit dem alten Ding machen?

Vogue editor criticized for sharing Instagram shot of homeless woman reading Vogue: Feingefühl ist nicht unbedingt die Stärke von  Elisabeth von Thurn und Taxis.

My friend, Stalin’s Daughter: Geschichten, die das Leben schreibt. Lang, aber unterhaltsam.

95-year-old man sets 200m sprinting world record for his age group: Mit 95 noch sprinten ist krass. Dann auch noch den Weltrekord in der eigenen Altersklasse aufzustellen ist krasser.

Kids are super ultra mega fucking weird: Einfach lesen. Chuck Wendig schreibt darüber, wie seltsam Kinder sein können. Sehr witzig und auch etwas beängstigend.

People in Australia have started taking selfies with Quokkas, and the results are brilliant: Selfies mit Quokkas. Nuff said.

Why so many awkward, shy guys end up hating feminism: Da ist viel Wahres dran. Warum enden eigentlich schüchterne Nerds so oft als vehemente Antifeministen?

Shit white feminists need to stop doing: Weil es nix schadet, sich das immer mal wieder bewusst zu machen.

Is it sexist to judge a cookbook by its pictures?: Weil die Überschrift irgendwie nicht mitreißt, der Artikel aber ziemlich lesenswert ist. Es geht um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Kochbuchautorinnen: Adam Roberts and Mimi Thorisson und ob Roberts‘ Kritik an Mimis Kochbuch sexistisch waren oder nicht.

A look inside the terrible manual cops use to teach ‚Rape Prevention‘: Victim Blaming usw. Genauso schlimm, wie man es sich vorstellt.

How disabled people are challenging damaging myths about sex: Stellt spannende Fragen, die uns alle betreffen.

In the documentary ‘GTFO,’ female video gamers fight back: GTFO ist eine Dokumentation, die am 14.03. beim SXSW Premiere hatte. Darin kommen Frauen zu Wort, die Opfer von Belästigung wurden, weil sie spielen.

Never just say ‘That sucks‘: A guide to discussing comics art: Wie man Comics reviewen würde, wenn man es wirklich gut machen wollte.

Where would music be without Tori Amos?: Über Tori Amos‘ Einfluss auf die (Pop-)Musik bis zum heutigen Tag.

How to score weed: Wie treibt man Weed auf, wenn man grad keine Quelle hat? Der Artikel gibt ein paar gute Tipps.

Zoomquilt – An infinite zoom that immerses you in a mesmerizing illustration: Einfach angucken. Eine Endlosanimation, bei der ihr tiefer und tiefer in Bilder in Bildern in Bildern eintaucht.

Philip K. Dick was right: we are becoming androids: Ein schöner Text über Philip K. Dick und unser Verhältnis zu Technik.

Memories Implanted into Brains of Sleeping Mice: Das ist schon ziemlich cool. Bin gespannt, wo es hin führt.

Using its database of genes, 23andme will start developing drugs: Das ist konsequent weiter gedacht.

Warum bald niemand mehr Arno Schmidt lesen wird

Ich bin über einen wirklich schlimmen Text gestolpert. Der Text heißt „Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt“ und wurde geschrieben von Friedrich Forssman, der – wenn er nicht gerade gegen E-Books rantet – die Totholzausgaben der Publikationen der Arno Schmidt Stiftung gestaltet. Aber selbst wenn man diese Voreingenommenheit berücksichtigt, bleibt der Text rätselhaft.

Ich weiß nicht genau, von wann der ist, aber er wird wohl halbwegs aktuell sein. Veröffentlicht wurde er auf Logbuch – Deutschsprachige Literatur heute. Was nach dem Lesen des Textes eigentlich nur ironisch gemeint sein kann.

Dass viele deutsche Verlage die Digitalisierung verschlafen, dürfte nahezu unstrittig sein. Nur ob sie es absichtlich tun oder aus Dummheit ist fraglich. Liest man Forssmans Text, muss man zum Schluss kommen: Es ist beides!

E-Books sind für Forssman „Unfug, ein Beschiß [sic] und ein Niedergang“, so steigt er gleich ein. Derlei Lamenti kennt man aus dem Kulturbetrieb zur Genüge. Sie haben sich noch immer als falsch herausgestellt und nerven fürchterlich. Aber man will sie dann eben doch nicht unwidersprochen stehen lassen.

Zuerst singt Forssman ein Hochlied auf den Buchdruck als Technik. Völlig zurecht! Bücher wurden endlich bezahlbar und konnten in großen Auflagen und ohne viel Aufwand hergestellt werden. Das erschwerte es, Gedanken zu unterdrücken. Es musste nicht mehr jeder Text auf Fehler untersucht werden, sondern nur noch der den Drucken zugrunde liegende. Sicherlich ist der Buchdruck eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte, gar nicht zu überschätzen in seiner Bedeutung.

Aber dann wird es seltsam: „All diese Fortschritte, seit Jahrhunderten bestätigt und bewährt, nimmt das E-Book zurück.“ Ah ja. Mal schauen, wie er das begründet.

„Sie dürfen ein E-Book nicht weiterverkaufen. Wenn Sie ein E-Book kaufen, kaufen Sie nur eine Lizenz.“

Das ist griffig, aber verkürzt. Es gibt natürlich auch für E-Books Lizenzen, die den Weiterverkauf erlauben. Dass sie selten genutzt werden, kann man schwerlich dem E-Book vorwerfen. Richtigerweise meckert er denn auch weniger über E-Books an sich als vielmehr über den Börsenverein des deutschen Buchhandels, der behauptet, ein Weiterverkauf von E-Books würde letztlich zum Zusammenbruch des „Primärmarkts für digitale Kreativgüter“ führen. Was ich auch für falsch halte.

Als nächstes kommt das Argument der Verfügbarkeit. „Sie werden Ihre E-Bibliothek nicht weitergeben können. Sie werden E-Books, an denen Sie die Rechte erworben haben, womöglich nicht mal so lange benutzen können, wie Sie möchten.“

Meine Amazon-E-Books sind wahrscheinlich tatsächlich nicht mehr lesbar, sollte es Amazon irgendwann nicht mehr geben. Das liegt aber wieder nicht am E-Book an sich, sondern an Amazon und Verlagen, die auf Kopierschutzmechanismen wie DRM setzen. Gäbe man diese Unsitte auf, wären E-Books kinderleicht zu teilen. Gerade deswegen gibt es Blödsinn wie DRM doch: Weil Digitalisierung aus Nutzersicht das Teilen naheliegender erscheinen lässt als den Kauf.

Interessanterweise wird simples Kopieren später von Forssman als ein weiterer Nachteil von E-Books bewertet, wenn er auf „die Probleme der Musikindustrie“ verweist. Übrigens Probleme die, wie wir eigentlich mittlerweile wissen, gar keine wirklichen Probleme waren, sondern lediglich eine Umstellung erforderten, eine Anpassung an eine veränderte Realität. Was vielen Künstlern und mehr oder weniger sogar der Musikindustrie gelungen ist. Obwohl die sich auch erst mit Händen und Füßen gegen diesen neuen „Unfug“ wehrte und danach ihre eigene Zielgruppe kriminalisierte. Vinyl ist hip wie nie und das ist unmittelbar eine Folge der Digitalisierung. Eigentlich müsste das dem Buchhandel Mut machen: Das gedruckte Buch wird nicht aussterben.

Generell hat man das Gefühl, Forssman hat das mit den verschiedenen Formaten nicht verstanden oder sich zumindest nur über Amazon informiert und das dann für alle E-Books verallgemeinert. Epub oder Mobi existieren in seiner Wahrnehmung wahrscheinlich nicht. Nur so ist auch der folgende Satz sinnvoll zu verstehen: „Sie müssen mehrere [E-Reader] kaufen, weil nicht jedes E-Book auf jedem Dingsbums verfügbar ist.“ Da spricht großes Unwissen darüber, wie dieses ganze E-Book-Zeugs eigentlich funktioniert.

Weiter im Text! E-Books sind gar nicht so praktisch, wie immer gesagt wird, meint Forssman. Das behauptet er allerdings nur, begründen tut er es bestenfalls über Bande: Das Synchronisieren des Lesefortschritts über mehrere Geräte? „Das ist nicht praktisch, das ist gespenstisch.“ Big data, Geheimdienste, siewissenschon.

Dann wird es dystopisch. Forssmans Alptraum: Die beim Lesen anfallenden Daten könnten genutzt werden, um die Texte zu verbessern. „Sie haben nach Ende der Lektüre von Band 1 nicht gleich Band 2 bestellt? Sie haben die Lektüre womöglich gar nicht beendet, sondern bei jener gewissen Länge nach dem ersten Drittel aufgehört? Dann muß der Text an den entsprechenden Stellen kürzer oder glatter gemacht werden und der Cliffhänger am Schluß steiler, damit Sie Verbraucher ihn besser verbrauchen können.“

Ich lese da die Angst heraus, Bücher würden ihre Originalität, ihre Seele verlieren. Als würden Verlage nicht auch beim gedruckten Buch genau das versuchen, nur mit schlechteren Daten und daher weniger erfolgreich. Okay, wer Bücher von Arno Schmidt gestaltet, muss sich um Leser sicher nicht viele Gedanken  machen, aber man sollte sich zumindest bewusst sein, dass das die Ausnahme von der Regel ist und Verbraucher nicht so geringschätzig behandeln.

„Sie bekommen womöglich gleich neue Versionen von den Texten, vielleicht mit gerechterer Sprache oder noch neuerererer Rechtschreibung“ – auch das für Forssman wohl Auswüchse einer Modernität, die er ablehnt. Gerechte Sprache. Neue Rechtschreibung – Es ist bemerkenswert, wie fortschrittsfeindlich Forssman argumentiert. Das kennt man sonst von deutlich älteren Männern.

Viel schlimmer als Anpassung von Texten an den Zeitgeist: Zensur! Bei E-Books sicher genauso schlimm wie bei gedruckten Büchern, aber auch ungefähr gleich weit verbreitet: Nahezu gar nicht. Auf jeden Fall mal wieder nix, was irgendwie E-Book-spezifisch wäre.

„Bücher zu lektorieren und zu korrigieren“ würde sich nicht mehr lohnen, „weil mit ihnen nichts mehr verdient werden kann, landen sie doch sowieso bald auf illegalen, dafür aber leicht erreichbaren Download-Seiten“, orakelt Forssman. Ich bin überzeugt, dass sich mit E-Books viel Geld verdienen lässt, wenn man es ernsthaft betreibt und über das Märchen von den „Raubkopierern“, die ganze Industrien gefährden, wurde schon oft genug geschrieben, aber am ersten Teil des Satzes ist was dran: Self publishing wächst und dort gelten etwas andere Regeln. Unter anderem auch die, dass ein professionelles Lektorat nicht so wichtig sei. Das kann man bedauern.

Aber: Gerade heute erst ist mir wieder ein E-Book eines deutschen Verlages untergekommen, dessen Ursprungstext sehr wahrscheinlich lektoriert wurde. Das E-Book aber nicht. Der Text war immer wieder falsch formatiert. Wenn die Verlage ihre eigenen E-Books nicht ordentlich lektorieren,  können sie sich wohl kaum beschweren, dass es andere auch nicht machen. Wessen Fehler das ist, ist klar ersichtlich, da braucht es keinen Sündenbock Digital.

Der nächste Absatz bietet sowohl inhaltlich als auch sprachlich ein paar Perlen, weswegen ich den nahezu komplett zitiere.

„Ein beliebtes Argument für E-Books ist das leichtere Umziehen. Nun, außerhalb von Berliner Hipsterkreisen, in denen das vierteljährliche Wohnungswechseln einfach dazugehört, ist das kein so häufiger Vorgang.“ Ich würde nicht soweit gehen, von dieser Aussage Rückschlüsse auf Forssman zu ziehen. Umgekehrt hätte er es aber besser ebenso unterlassen, von sich auf andere zu schließen. Auch Nichtberliner Nichthipster müssen heutzutage oft umziehen. „Mobilität“ und „Flexibilität“ sind Teil des Mantras über unverzichtbare Eigenschaften moderner Beschäftigter. Wenn er das nicht kennt: Schön für ihn. Als Argument ist es schwach und herablassend. Ganz abgesehen davon, dass das Argument „leichteres Umziehen“ deshalb so beliebt ist, weil es halt stimmt. Da kann man sich quer stellen, wie man will. Ich habe viele Bücher und ziehe alle paar Jahre mal um und ich würde mich jedes Mal von ein paar Kisten trennen, liebte ich sie nicht so.

„Sodann: Man kann dreißigtausend Bücher mit an den Strand nehmen. Meine Erfahrung als verdienter Leser des Volkes ist, daß für einen dreiwöchigen Urlaub zwei oder drei Bücher ausreichen, und wenn man Reclamhefte mitnimmt, sind die sogar leichter als ein »kobo glo« (»Willkommen bei Kobo Reading Life™«) oder ein »tolino shine« (der aus der »tolino-Welt«).“

Dreißigtausend ist wirklich hochgegriffen. Auf mein Kindle passen etwa 1000 Bücher. Aber das nur nebenbei. Was Forssman sagt, stimmt schon. Ich bin allerdings ein eher sprunghafter Leser, der heute nicht sicher weiß, was er morgen lesen möchte und habe gern viel Auswahl. Für mich ist es ein klarer Vorteil, nur noch eine E-Reader herum tragen zu müssen.

„Man brauche, hört man den Hipster lallen, keine Bildungsbürgertapete mehr als Angehöriger der digitalen Elite. Nun ist sowohl »Bildung« als auch »Bürger« etwas, was ich dringend haben beziehungsweise sein möchte. Mein Bücherregal ist ein Abbild dessen, was ich gelesen habe und was ich noch lesen möchte, es ist ein vergnüglich durchstöberbares Archiv, in dem auch thematisch passende Grafiken, Fotos und Schneekugeln Platz haben und durch das ich für diejenigen, die ich in meine Wohnung lasse, erkennbar bin, was mir recht ist, für diejenigen, die leider draußen bleiben müssen, aber anonym bin, was mir noch lieber ist. Das E-Book dreht dieses Verhältnis um.“

Nun gut. Elitäre Polemik. Tatsächlich nicht mehr. Shelfies sagen Forssman wahrscheinlich nix. Die daraus entstandene Diskussion über Klassismus wahrscheinlich auch nicht. Hipster hat er schon gehört. „Bildungsbürgertapete“ sagt heute allerdings niemand mehr, das ist so 70er.

Immerhin ist ein Buch intuitiv, fährt Forssman fort. „Wie dick es ist, wie man vorankommt, das sieht und spürt man im Papierbuch, der Reader kann da höchstens alberne Simulationen liefern.“ Mutmaßlich hat er noch nie ein Kindle benutzt und weiß daher nicht, wie simpel die sind. Meine Oma, die anfangs mit einem Doppelklick am PC überfordert war, kann einen E-Reader problemlos bedienen. Seitenzahlen gibt es gedruckt wie digital. Was mit „albernen Simulationen“ gemeint sein soll, kann ich mir nicht mal denken. Wahrscheinlich sowas wie Animationen beim Umblättern. Soll es ja geben. Wobei die Haptik manchmal tatsächlich einer der wenigen Vorteile eines gedruckten Buches ist. Meist aber eben gerade nicht. Oft sind gedruckte Bücher klobig und sperrig und schwer und werden dreckig, wenn man sie benutzt und mit sich führt. Es kann unmöglich ernst gemeint sein, wenn Forssman schreibt: „Bücher liegen so schön herum und bereit: Man kann sie sich in den Weg legen, man kann einen Stapel neben dem Bett haben, drei im Wohnzimmer und ein Bücherbord auf der Toilette, man kann in jedem Jackett ein Reclamheft stecken haben. Beim Arbeiten kann man so viele Bücher an so vielen Stellen aufgeschlagen herumliegen haben, wie der Schreibtisch beziehungsweise der Fußboden groß ist.“ Es muss Häme sein, aber ich verstehe es nicht.

„Zur Ästhetik des E-Books kann ich gar nichts schreiben, denn es gibt sie nicht. »Content«, wenn ich das schon höre.“

Englisch halt. Auf Gutdeutsch: „Inhalt“, wenn ich das schon höre. Also… „Die Form des E-Book-Textes auf dem Reader ist zufällig, frei wählbar und bestenfalls eine Zumutung.“ Was für ein Quatsch. Zufällige Form? Frei wählbar? Bestenfalls eine Zumutung? Daran ist nichts wahr. Die Form ist genauso überlegt wie in einem gedruckten Buch. Wählbar sind ein paar Kleinigkeiten wie Schriftart und -größe. Bestenfalls ergibt das ein wunderbares Leseerlebnis, das den meisten gedruckten Büchern hoffnungslos überlegen ist. Zum Beispiel auch im Dunkeln.

Offenbar wird jemand, der wie Forssman denkt und argumentiert, trotzdem auf Podien eingeladen, gegen seinen Willen, wo er neben „Zukunftsvisionären in Form von Google-Oligarchen, Börsenvereins-Geldverbrennern und analphabetischen Digitalhipstern mit ADHS im Vollbild“ redet. Dort wird er wohl regelmäßig mit der Aussage konfrontiert, neue Medien hätten noch nie alte Medien verdrängt. Ich halte das allerdings für einen besonders billigen Strohmann. Kein Befürworter der Digitalisierung würde wohl bestreiten, dass diese eine disruptive Technologie ist. Wir müssten all die Texte von besorgten Bildungsbürgern angesichts der Digitalisierung doch gar nicht lesen, wäre es nicht so. Uns ist das völlig bewusst.

Forssman schreibt weiter: „Bücher kommen vielleicht aus der Mode, sie überleben aber zuverlässig, im Originaltext ihrer Zeit, in der Orthographie ihrer Zeit, in der Ästhetik ihrer Zeit, in der Technik ihrer Zeit.“ Hier zeigt sich nochmal die Verweigerung jeglicher Aktualisierung, jeder Modernisierung und das Verdrängen der Probleme, die solche Verweigerung mit sich bringt. Wer von euch kann noch Fraktur lesen? Wie alt ist euer ältestes Buch und in welchem Zustand befindet es sich? Wie gut versteht ihr Niederdeutsch? Eben.

Zum Schluss und damit schließt sich der Kreis zur Überschrift. „Also, endlich: warum keine Arno-Schmidt-Texte auf E-Books? Allein das Haltbarkeits-Argument würde ausreichen, hat Arno Schmidt sich doch höchst abfällig über klebegebundene, »gelumbeckte« Bücher geäußert, weil sie nicht halten. [..] Das Überleben von Texten den Launen anonymer Großkonzerne auf alle Zeiten zu überlassen, das widerspricht Schmidt, dem Ausgräber von Längstvergessenem, diametral.“ Das klingt für mich ja, als hätte Arno Schmidt digitale Bücher gemocht. Immerhin bieten sie die einzige Alternative zum gedruckten Buch und sie sind immer vorrätig, wohingegen man beim Buch auf eventuelle Neuauflagen oft Jahre warten muss oder teils lang nach alten Ausgaben suchen muss. Schade, dass die Verwalter seines Erbes offenbar so am verhassten „Klebebuch“ hängen. Bzw., wie bei „Zettels Traum“, einfach nicht kapieren, dass dieses Buch wie gemacht ist für digital, mit Links und Fußnoten und Querverweisen und Erklärungen. Ihr könnt Zettels Traum bei Amazon kaufen. Für 299 Euro. Kein Scherz. So bezahlbar ist die gedruckte Literatur, an der Forssman so hängt, dass es nichts neben ihr geben darf.

Es könnte so schön werden. Sie müssten nur wollen. Allein – das „Haltbarkeits-Argument“ bleibt denn auch alles an Rechtfertigung. Solange das so bleibt, wird Arno Schmidt wohl vielen Lesern verborgen bleiben. Was ich schade finde, der hat eine sehr moderne Schreibe!

Auf den Text bin ich übrigens von einem deutlich besseren Text gestoßen worden: Fahrenheit 1056: Verlage, die Leser hassen von Clemens Gleich.

 

Happy 50th Birthday, Mooresches Gesetz!

Moore’s Law oder das Mooresche Gesetz (wie unschön im Deutschen!), aus dem Jahre 1965, besagt, „dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten regelmäßig verdoppelt; je nach Quelle werden 12 bis 24 Monate als Zeitraum genannt.“ (Quelle: Wikipedia) Praktisch heißt das, dass eure Smartphones immer smarter werden. Größer gedacht allerdings, dass der technische Fortschritt exponentiell voran schreitet. Ich bin nicht der Meinung, dass Fortschritt ein kontinuierlicher Prozess ist, der stets zu noch mehr Fortschritt führt, aber zumindest was technische Errungenschaften angeht, scheint das Gesetz wahr.

Eigentlich schreib ich das alles nur, damit ihr den folgenden Artikel lesen wollt: When Exponential Progress Becomes Reality. Der beschäftigt sich vor Allem mit Ray Kurzweils „Law of Accelerating Returns“, das auf Moore’s Gesetz aufbaut und warum die meisten Menschen so verdammt schlecht darin sind, die Zukunft vorherzusagen, während Kurzweil dies immer wieder ziemlich eindrucksvoll gelingt.

(via)

Ghost In The Machine – Ted Lawsons Eigenblut-Selfie

Ted Lawson Ghost In The Machine (blood robot selfie)
Ted Lawson ist Künstler und spielt gern mit Technologie. Für sein Werk Ghost In The Machine (blood robot selfie) hat er eine CNC-Maschine so programmiert, dass sie mit seinem Blut ein lebensgroßes Ganzkörper-Selfie produziert hat. Etwas mehr Infos dazu hat Cir.ca. Das folgende Video zeigt die Entstehung von Ghost In The Machine.

Streichelzoo mit Robotern – Der Mensch und seine Beziehung zur Technik

Mensch und Technik interagieren
Ich bin in letzter Zeit vermehrt auf Artikel gestoßen, die das Verhältnis des Menschen zu seiner Technologie hinterfragen. Zum Beispiel Could you kill this robot? Es gilt als erwiesen, dass Menschen in der Lage sind, gefühlsmäßig auf Technik zu reagieren, als wäre sie belebt.

Meka Robotics, eine von acht Robotikfirmen, die Google in den letzten neun Monaten gekauft hat, ist spezialisiert auf niedliche Roboter zur Arbeit an Menschen, fein mit Kindchenschema und allem.

In Her, dem neuen Film von Spike Jonze geht es um die Liebe eines Menschen (Joaquin Phoenix) zu einer computergenerierten Stimme (der von Scarlett Johansson).

Ich sah die Strandbiester (Strandbeests) von Theo Jansen, grazile, organisch wirkende Konstruktionen aus dünnen Plastikstangen, die er irgendwann einfach aussetzen will, auf dass sie in Herden, angetrieben nur vom Wind, unsere Strände bevölkern.

Technologischer Fortschritt führt aber auch dazu, dass wir unseres Verhältnis zur Umwelt hinterfragen müssen. Das Headset, mittels dessen unser Hund uns seine Gedanken mitteilen kann ist zwar Bullshit, aber es wirft trotzdem interessante Fragen auf. Was, wenn unser Hund mit uns verbal kommunizieren könnte? Was, wenn uns nicht gefällt, was er uns sagt?

Ich nehme mal an, dass würde das Zusammenleben verändern. Das würde auch Tierrechte betreffen. Die sind schon so momentan ziemlich spannend: Do Chimps Have Human Rights? This Lawsuit Says Yes.

Außerdem hab ich für cyborgs.cc kurz was über Militärcyborgs und Tierversuche geschrieben.

Da passt es sehr gut, dass ich heute auf einen Streichelzoo gestoßen bin, der ohne Tiere auskommt. Stattdessen reagieren in der Installation von Minimaforms Roboter auf ihre Umgebung und versuchen, mit ihr zu interagieren. Ich steh ja auf Streichelzoos, aber Tierhaltung ist auf jeden Fall kritisch. Insofern befürworte ich es, wenn wir vielleicht zukünftig keine Tiere mehr halten müssen, nur weil uns nach Kuscheln und Zuneigung ist.

Andererseits stelle ich mir die Frage: Wenn wir schon so früh in der Entwicklung menschlicher, sympathischer Roboter die Fragen nach Leid und Tod stellen, uns aber noch immer so schwer damit tun, industrielle Massentierhaltung wirklich abzulehnen und Konsequenzen zu ziehen, ist da nicht eine absurde Welt vorstellbar, in der wir irgendwann menschlicher zu unserer Technik sind als zu anderen Lebewesen?