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ti_leos Links der Woche (KW 24)

Was ’ne Woche! Zu spät dran, aber aus Gründen. Trotzdem hin und wieder zum Lesen gekommen. Meine Highlights:

ti_leos-Links-der-Woche-(KW 24)

What is Code? – Gar nicht viele Worte, der Artikel trackt sogar euren Lesefortschritt. Warum wir alle coden können müssen. Ganz großes Kino!

The Riflemaker Dreams of Africa ist einfach ’ne tolle Story. Als solche behandelt sie ein mir zutiefst fremdes Thema, nämlich die Faszination von Waffen und der Jagd, aber so, dass ich es nachvollziehen kann.

Catechism for the End of the World – Kein Sachtext, kein Essay, sondern richtig gute Literatur, inspiriert von Fotografien. Lesen!

Welcome to Nerdopolis, dem feuchten Traum neoliberaler Nerds.

The City Where the Sirens Never Sleep ist von 2008, aber fast jeden Satz will man zitieren, weil er zitierfähig ist. Detroit ist so unfassbar kaputt, ich beobachte das gespannt.

Is Rachel Dolezal Black Just Because She Says She Is? Total komplexes Thema. Einen guten Überblick über die Implikationen des Ganzen gibt Rachel Dolezal and the Trouble with White Womanhood und ist dabei nicht mal besonders lang.

Am 13. Juni 1995 ist „Jagged Little Pill“ von Alanis Morissette erschienen, übrigens nicht ihr Debut. Sie hatte vorher schon zwei andere Alben veröffentlicht, die heute aber kein Mensch mehr kennt. Jagged Little Pill ist ein sehr wichtiges Album, nicht nur für mich. Jagged Little Pill at 20: A Roundtable erklärt genauer, warum das Album so besonders ist; Alanis in Chains erzählt die spannende Geschichte, wie aus Alanis, dem kanadischen Popsternchen aus der Retorte, Alanis Morissette, Stimme einer Generation, werden konnte.

Officer Involved uses databases on police brutality compiled by the Guardian to present the problem in a new way.

„A mysterious little book called Iterating Grace is floating around San Francisco right now.“ Who wrote this amazing, mysterious book satirizing tech startup culture? Kam eigentlich raus, wer handgemalte Ausgaben von The Guardian in London verteilt hat?

Emory Douglas – The Art of the Black Panthers:

Sleeping Bags for Two or One ist ein kurzer, sehr persönlicher Text über den Tod.

Dating-Apps sind knallhartes Business. Funktionieren sie gut, machen sie sich überflüssig: The Dating Business: Love on the Rocks

Ich halte nicht viel von Wohltätigkeit als Problemlöser. The media loves the Gates Foundation. These experts are more skeptical. bestätigt mich darin.

„Without consciousness the mind-body problem would be much less interesting. With consciousness it seems hopeless.“ Philosophie! Auch alt (1974), aber gut. What is it like to be a bat? (pdf) von Thomas Nagel.

Das ist hübsch: The Secret Life of Passwords. Menschen sind schlecht darin, sich Passwörter zu merken. Daher verraten die ziemlich viel über Menschen. Was sagen eure Passwörter über euch aus? Wüsste das tatsächlich gern, bzw. wüsste gern zumindest das System, nach dem ihr vorgeht, denn ein System habt ihr ziemlich sicher.

GamerGate stinkt, aber manchmal vergisst man das Positive angesichts solcher Scheißigkeit. The Legendary Adventures of a Fearless Girl Gamer betrachtet die Sache letztlich genauso, aber aus einer etwas anderen Perspektive.

Noch so ein Aufreger der vergangenen Woche: Tim Hunt’s sexistische Äußerungen über Wissenschaftlerinnen. Das Problem ist aber nicht nur offener Sexismus, sondern auch ein weniger offensichtliches: The unseen women scientists behind Tim Hunt’s Nobel prize.

„102,000 people, 4 million minutes, 67,000 hours, 2,800 days, 400 weeks or 7.5 years worth of data-sharing. Whatever way you look at it, we have the world’s most comprehensive survey of drug use“ – The Global Drug Survey 2015 findings.

Kooperativen – Viel interessanter als Sharing Economy-Quatsch: What’s Next for the World’s Largest Federation of Worker-Owned Co-Ops?

Do things that don’t scale! How Design Thinking Transformed Airbnb from a Failing Startup to a Billion Dollar Business

Schon 6 Jahre her: Hashtag solidarity and the radical kinship of Twitter’s #iranelection. A reminder that as “black boxes” of state violence and police brutality, we are all vulnerable.

„Does the new system, democracy, really work for both sexes in the same way?“- How women survived post-communism (and didn’t laugh)

Tiefe Einblicke in den Kampf um Wählerdaten: The Koch brothers and the Republican Party go to war — with each other.

Design: Mass transit agencies around the world face the same conundrum: How to make what amounts to four straight lines distinctive. – 77 Ways to Design the Letter ‚M‘.

A Clickbait History Of The World

Loblied auf eine Farbe: A brief history of ultramarine.

The humble boltcutter may be the most powerfully symbolic object in Mad Max: Fury Road. Bolzenschneider, keine Schlüssel. Schöne Analyse von Mad Max: Fury Road.

8K- Video auf Youtube: https://youtu.be/sLprVF6d7Ug

The Men’s Rights AVENGERS (MRA) ^^

ti_leos Links der Woche (KW 20)

Welcome back! Letzte Woche zuviel des Guten, hm? Ich werde versuchen, mich dieses Mal stärker zu beschränken!

ti_leos Links der Woche KW 21

Die Büroklammer ist ein Objekt, über das man nur selten nachdenkt. Lohnt sich aber. Sie wurde 1899 designt und das gleich so perfekt, dass sie bis heute nicht verbessert wurde. Auch sonst ist die Geschichte der Büroklammer spannendes Lesefutter.

Into the body off another ist ein schockierender Text über die fragwürdige, in den USA nicht unübliche Praxis, Frauen, die während der Schwangerschaft Drogen konsumieren, ins Gefängnis zu stecken und ihnen ihre Kinder wegzunehmen.

Bienen geht es schlecht Kann die Wissenschaft Bienen verbessern oder brauchen wir bald Roboterbienen? Building Bees

Seit Jahrzehnten an vorderster Front im Kampf gegen die NSA? Bibliothekarinnen! Librarians Versus the NSA

Inside Instagram’s Long Guerrilla War on Porn—and the Users Who Keep Coming Back

Der zweite Teil der Silk Road-Story von letzter Woche ist raus. The Rise and Fall of Silk Road

Paris hatte zur Zeit von Marie Antoinette eine echte Modeindustrie, inklusive Modezeitschriften, die alle 10 Tage (!) erschienen.  Fashion to Die For: Did an Addiction to Fads Lead Marie Antoinette to the Guillotine?

Das hätte ich gern in voller Länge:

Ein Text über Portraits im Wandel der Zeit, mit vielen Beispielen: Portrait, with Data

25 THOUGHTS ON VIRTUAL REALITY FILMMAKING

Wie das Spiel No Man’s Sky versucht, ein ganzes Universum zu simulieren: World without end

Das jahrzehntelange Verbot von Forschung an und mit Cannabis führt dazu, dass es jetzt zwar endlich legalisiert wird, man aber immer noch viel zu wenig über Chancen und Risiken weiß. The Great Pot Experiment 

Sperma im Labor züchten? Check!

Ein ökomodernistisches Manifest.

Hahaha vs. Hehehe.

Was kommt nach Periscope, Meerkat und Co? Up Periscope: I See the Future of Video

Endlich! Jemand bastelt eine virtuelle Version von Borges Bibliothek von Babel. Jorge Luis Borges’ “Library of Babel” Is Now a Real Website. Borges Would Be Alarmed.

A Teenager’s View on Social Media Written by an actual teen

Nach Überwachung kommt Kontrolle. China bewertet zukünftig seine Bürger nach dem Grad ihres Wohlverhaltens.

Gemäß dem Motto »Wenn das Volk eine andere Meinung als der Staat hat, dann suche sich der Staat ein neues Volk.« (Bertold Brecht) vergibt China wohl zukünftig nach bestimmten Kriterien Punkte an seiner Bürger. Wahrscheinlich, damit man im Ernstfall schon weiß, welche Bürger gut sind und welche falsch.

Schlecht sind zum Beispiel Schulden oder Gefängnisstrafen, aber auch die falschen politischen Ansichten oder Freunde, unbedachte Äußerungen oder das Lesen eines „falschen“ Buches können einen Bürger Punkte kosten.

Früher wäre eine solch umfassende Überwachung zumindest technisch undenkbar gewesen, aber dank Big Data und grundsätzlicher Sympathien chinesischer Internetunternehmen erscheint es machbar und es wird ernsthaft daran gearbeitet.

Das sogenannte Social Credit System soll ab 2020 zum Einsatz kommen und öffentlich sein. Wohl die konsequenteste Fortsetzung der allgegenwärtigen Überwachung von Bürgern durch ihren Staat. Nach Überwachung kommt Kontrolle. Der gemeine Bürger wird zum Staatsdiener. Das wird sicher nicht nur China gefallen. Schließlich weiß „big brother“ doch eh, was am Besten für alle ist.

Geheimdienste NSA und GCHQ überwachen auch Online-Spiele wie World of Warcraft

Wenn man denkt, viel absurder könnte das Thema Überwachungsskandal nicht mehr werden, wird man eines Besseren belehrt. Ich habe bisher die Geheimdienst-Affaire hier im Blog nicht behandelt, weil dazu andere (zum Beispiel Netzpolitik) viel mehr und viel schlauere Dinge zu sagen wissen.

Aber das ist eine Entwicklung, die ich so nicht vorher gesehen hatte und die dann ja doch irgendwie ziemlich gut hierher passt: Spy agencies in covert push to infiltrate virtual world of online gaming. CIA (Quatsch! NSA natürlich!) und Co überwachen nicht nur eure Ingame-Chats, sie schleußen sogar „Agenten“ in die Spiele ein.

Agentin hört mit!

Agentin im Dienst?

Wenn also sogar Online-Spiele umfassend überwacht werden, können wir das Argument, es wäre doch gar nicht möglich, uns Alle jederzeit zu überwachen, wohl betont als Augenwischerei abtun. Wer Zeit und Energie aufwendet, um mich beim Spielen zu überwachen, der weiß offenbar in so ziemlich allen anderen Bereichen bereits genug von mir und der hat Kapazitäten zum Überwachen, die weit über unsere größten Befürchtungen hinaus gehen.

Übrigens hat der Guardian erst 1% der Infos von Snowden veröffentlicht.

Der Rolling Stone hat vor ein paar Tagen einen schönen Artikel dazu veröffentlicht, wie Edward Snowden und Glenn Greenwald vom Guardian eigentlich dazu kamen, zusammen ein paar der bestgehüteten Geheimnisse der Welt einer breiten Masse zugänglich zu machen.

Punk Rock is more feared than Russian Communism.

Heute ist freies Assoziieren angesagt.

Man weiß mittlerweile, wo das zwischenzeitlich vermisste Mitglied der russischen Punk-Band Pussy Riot, Nadezhda Tolokonnikova, ist: In Sibirien!

Die Engländer hatten in den Siebzigern riesige Angst davor, dass Punk eine Revolution auslösen würde.

Die Engländer versuchen Studenten von Cambridge als Spitzel anzuwerben.

Den Rest macht ihr allein.

Ob Sie DICH dereinst fragen werden: Warum hast du nichts gemacht? #Prism

NSA Prism Symbolbild Überwachung
Damit der Artikel Prism: Empört Euch, verdammt nochmal! nicht so schnell in den diversen sozialen Netzwerken untergeht, weil dort die Aufmerksamkeitsspanne so kurz ist und weil ich hier nach Herzenslust ein paar lesenswerte Sätze einfach zitieren kann, weise ich mal hier im Blog auf den für mich bisher besten Text zum Thema: Was für Folgen haben Spähprogramme wie #Prism und seine britischen und französischen (und vielleicht auch deutschen?) Ableger für uns als Gesellschaft? hin. Solltet ihr unbedingt im Ganzen lesen! Ein paar Ausschnitte:

Sind unsere Daten mehr oder minder Gemeingut und zum Verzehr durch Geheimdienste geeignet? Oder sind sie das nicht? Und diese Entscheidung treffen wir zumindest als Deutsche jetzt: 10 Wochen vor den Wahlen.

Ich spare mir jetzt mal ein Piraten+, aber hier bekleckern sich alle Parteien nicht gerade mit Ruhm. Die an der Regierung fallen aber besonders negativ auf. Ein IM Friedrich ist gefährlich und muss weg! Eine Regierung, in der Friedrich Innenminister werden kann, muss weg!

Kein Totalitarismus der Welt kündigte bei der Machtübernahme je an, dass jetzt eine Diktatur errichtet werden solle. Immer ging es um Schutzmaßnahmen, um sich vor Kommunisten, Juden, Imperialisten uvm. zu verteidigen.

Es gab immer gute Gründe, deswegen sind Menschenrechte universell. Eigentlich. Da seht ihr, wie weit es schon verkommen ist. Aber: Es bringt nix, den Kopf in den Sand zu stecken!

Nur weil die NSA nicht mit der Stasi identisch ist, bedeutet das nicht, dass sie nicht ebenso schlimme oder noch gruseligere Szenarien am Start hat. Wer glaubt, dass Irrationalismen in Deutschland ab jetzt wahlweise mit Hakenkreuz oder Hammer und Sichel daherkommen, hat gar nichts verstanden. Wahrscheinlich will er aber vor allem eines: bewusst ablenken.

Die NSA hat so unglaublich viel mehr Daten angesammelt, als es der Stasi je möglich gewesen wäre, siehe diese schöne Visualisierung von OpendataCities.

Und mit dieser unkritischen, kriecherischen Helfershelfermentalität schafft besonders die Regierung Merkel ein neues Gewohnheitsrecht.
Gewohnheitsrecht? Genau. Und hier kommst du ins Spiel. Denn wenn jetzt nicht gehandelt wird, wird Prism zum Dauermodell. Wie gesagt: Du bist Souverän. Nicht unser Innenminister.

Wenn du und deine Freunde die nächsten 10 Wochen so laut wie möglich seid, dann hört man euch vor der Wahl.
Und wenn du nichts tust, handelst du auch. Du hast die Wahl.

Fangt am Besten damit an, den gesamten Artikel bei Davaidavai zu lesen. Nehmt ihn euch zu Herzen. Handelt entsprechend. Steckt nicht den Kopf in den Sand und macht euch damit zu Handlangern. Siehe Wehrhafte Demokratie! Übrigens: Jährlich werben in den USA mehr Menschen durch herabfallende Fernsehgeräte erschlagen als durch Terroranschläge ums Leben kommen.

Die spinnen, die Sachsen! Eine unendliche Geschichte

Lothar König, den politisch aktiven Pfarrer aus Jena, der sich auf zahlreichen Demonstrationen gegen Nazis positioniert, kennt ihr sicherlich alle. Er war zum Beispiel auch bei der „Freiheit statt Angst 2011“ in Berlin zugegen. Dass König seit einer Antifa-Demo am 19. Februar 2011 in Dresden Stress mit der Dresdner Staatsanwaltschaft hat, die ihm „schweren Landfriedensbruch“ vorwirft, wisst ihr bestimmt ebenfalls. Während dieser Demonstration hat die Polizei in einem bestimmten Gebiet über Stunden zehntausende Handys überwacht, was oft kritisiert wurde, unter Anderem von Sachsens Datenschutzbeauftragtem Andreas Schurig (und wohl auch die Gerichte beschäftigen wird). Für diesen Vorgang hat sich der Begriff „Handygate“ eingebürgert. Die Staatsanwaltschaft Dresden klagt übrigens nicht nur gegen König, sondern auch gegen den Anwalt André Schollbach, der viele der Betroffenen vertritt. Er soll Ermittlungsinterna veröffentlicht haben.

Soweit, so verworren und erschreckend, immerhin drohen König bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Gefängnis dafür, dass er sich in Deutschland aktiv gegen Nazis einsetzt. Das Verhalten der sächsischen Justiz verwundert schon sehr und wirkt alles andere als bürgernah und rechtlich einwandfrei. Mal schauen, wie die Gerichte letztlich entscheiden.

Die Süddeutsche Zeitung hat nun ein weiteres Detail öffentlich gemacht. Offenbar wirft die Staatsanwaltschaft Dresden König auch vor, er hätte dadurch, dass er das Lied „Keine Macht Für Niemand“ der (längst aufgelösten) Protest-Urgesteine „Ton Steine Scherben“ von seinem VW-Bus aus abspielte, zur Gewalt angestachelt. „Ton Steine Scherben“ spielen laut Staatsanwaltschaft Sachsen nämlich „Musik mit aggressiven, anheizenden Rhythmen“. Das ist so absurd, dass man laut loslachen möchte, aber leider ist es dafür zu ernst.

In Sachsen zeigt sich eine sehr unschöne Weltfremdheit der Justiz. Das kann man auch positiv auslegen, immerhin entdecken sie jetzt erst eine politische Band aus den 70ern. Wenn es in dem Tempo weiter geht, werden sie also in etwa 20 Jahren auf Bands wie „Atari Teenage Riot“ und noch einmal 10 Jahre darauf auf „Egotronic“ und Co aufmerksam. Aber ironische Distanz ist unangebracht. Wer auf einer Demo gegen Feinde des Rechtsstaates Präsenz zeigt, wird wegen „schwerem Landfriedensbruch“ angezeigt und nun will man in Sachsen sogar das Abspielen legaler Musik verbieten, die seit Jahrzehnten zum festen Inventar linker Demonstrationen gehört. Der sächsischen Justiz ist anscheinend jedes Mittel recht, ob es rechtstaatlich astrein ist, scheint weniger zu interessieren. Das verstehe wer will.

Zum Schluss nochmal zur Illustration der bööööse Song mit seinen aggressiven und anheizenden Rhythmen.

Axel E. Fischer fordert: [Hier Unsinn einsetzen]

Erinnert sich noch jemand an die „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“? Da sitzen Politiker mit „Internet- Experten“ zusammen und sollen bis 2012 Handlungsvorschläge erarbeiten, wie man mit dem bösen Internet zukünftig umgehen könnte. Die Leitung obliegt Axel Fischer (CDU).

Genau dieser Axel Fischer hat am heutigen stillen Feiertag laut heise online ein „Vermummungsverbot im Internet“ gefordert (zu lesen in den Badischen Neuesten Nachrichten, die am Montag erscheinen werden). Weil die Metapher so strange ist, dass man kaum verstehen kann, was der gute Mann meint, sei kurz erläutert, worum es geht: Axel Fischer hat was gegen Nicknames, weil man sich hinter denen ja verstecken könnte.

Typisch CDUler wirft er verschiedenste Dinge in einen Topf, die nix miteinander zu tun haben, rührt kräftig um und begründet seine krude Forderung mit kruden Argumenten, unter Verwendung kreativer, aber unpassender Metaphern („Vermummung“). Das Ganze gepaart mit einem ungesunden Misstrauen dem freien Bürger gegenüber. Gar nicht so einfach, das sinnvoll darzustellen.

Eigentlich geht es Fischer um unsere Demokratie. Da müsse man mit „offenem Visier“ kämpfen (Scheißidee, wofür war ein Visier nochmal da?). Wenn in Foren alle mit Nicknames posten, ist das irgendwie schlecht, weil Bürger sich damit ihrer „Verantwortung“ entziehen.

Ich beglückwünsche Fischer ausdrücklich dazu, dass er scheinbar nur in Foren aktiv ist, in denen konstruktiv politisch diskutiert wird, meiner Erfahrung nach ist das nämlich nicht so. Vielmehr wird in Foren gesmalltalkt, getrollt, sich harmlos unterhalten, oft ohne jeglichen Gehalt, just for fun. Manchmal wird auch politisch diskutiert, aber entschieden wird da genau gar nix. Wozu man dafür Klarnamen braucht, erschließt sich mir nicht. Wirkliche politische Partizipation ist unter einem Nickname nicht möglich. Es besteht also gar kein Problem. Begeht man Straftaten ist man auch heutzutage durchaus zu identifizieren, nur nicht von Hinz und Kunz (oder Axel E. Fischer).

Klarnamen würden vielleicht die Gesprächskultur verbessern. Aber kaum jemand würde dafür die Vorteile der eigenen Anonymität über Bord werfen. Zu bestimmten Themen würde man sich heutzutage vielleicht gar nicht mehr äußern. Dazu gehören auch und gerade politische Themen (über die selten genug diskutiert wird). Klarnamen könnten also durchaus kontraproduktiv wirken und die Bürger in ihrer Teilnahme an politischen Prozessen hemmen. Nicht umsonst wählen wir geheim. Ein Politiker sollte sich dessen bewusst sein.

Nachdem er Klarnamen gefordert hat, setzt Fischer sich gleich noch für den digitalen Radiergummi ein, was dermaßen abstrus gedacht ist, dass es mir schwer fällt, das nachzuvollziehen.

Erst zwingt man alle Bürger, jeden Scheiß unter ihrem echten Namen zu posten, dann findet natürlich auch jeder allen Mist, den jemand jemals verfasst hat und kann den einem echten Namen zuordnen und dann will man seine Bürger schützen, indem man das Internet „vergessen“ lässt? Gerade Nicknames sind doch eine frei gewählte Möglichkeit des Bürgers sich solcher Zuordnung zu entziehen. Bisher.

Wie möchte Fischer die eindeutige Identifizierung des Bürgers eigentlich praktisch realisieren? Kommt ihr nie drauf: Mit dem neuen Personalausweis. Na, wer von euch hätte gedacht, dass das darauf hinaus läuft? Ich bin jedenfalls heilfroh, dass ich mir noch rechtzeitig den alten Perso geholt habe, bin aber unsicher, ob ich den nicht vor Ablauf seiner Gültigkeit gegen einen neuen eintauschen muss, wenn so Menschen wie Fischer sich mit ihren dummen Ideen durchsetzen.

Freilich hat Fischer zentrale Probleme seiner Forderung nicht durchdacht. So scheint er zu vergessen, dass es durchaus Namen gibt, die mehrere Personen sich teilen, sagen wir mal Max Müller. Besagter Max Müller könnte sich in vielen Foren wohl nicht mehr anmelden, da sein Name bereits vergeben wäre. Außerdem würden die von ihm getätigten Aussagen mit denen aller anderen Max Müllers, die sich vor ihm in anderen Foren angemeldet hätten, in einen Topf geworfen werden, was Max Müller sicher nicht allzu sehr freuen dürfte. Eindeutig ist so ein Name nämlich natürlich nicht. Bliebe also doch nur eine ID oder Ähnliches. Dann sollte Fischer seine Forderung aber ändern, denn mit Nicknames hat das nichts mehr zu tun.

Sinnvoll im Sinne Fischers wäre eigentlich nur eine Art Anmeldung ans Netz, unter Nutzung einer ID, bevor man los surfen kann. Das würde einer Totalüberwachung des eigenen Surfverhaltens gleich kommen und wäre potentiell sehr schädlich, wenn es, was fast zwangsläufig scheint, in die falschen Hände gerät.

Von der „Enquete- Komission Internet und digitale Gesellschaft“ erwarte ich indes nix Positives mehr, obwohl da durchaus ein paar wenige fähige Leute beteiligt sind. Die haben aber scheinbar nix zu sagen und sollten aus meiner Sicht zukünftig die Mitarbeit verweigern, da sie sonst ihren guten Ruf gefährden, ohne im Gegenzug Einfluss ausüben zu können. Vor den „Handlungsempfehlungen“ sollte man sich offenbar fürchten.

Und damit ihr noch ein wenig Spaß habt: Norbert Hense sammelt auf seinem Blog Posts zum spontan entstandenen Twitter- Mem „Axel E. Fischer fordert“.

Schnittchen.tv hat auch noch ein paar.

Hier noch ein Video, in dem Axel. E. Fischer unter anderem darüber redet, ob der Vorsitzende einer Enquete- Kommission zum Thema Internet auch Ahnung vom Internet haben sollte. Zitat direkt zu Beginn: „Jemand der ein Fahrzeug steuert, muss das Fahrzeug nicht herstellen oder konstruieren können, er muss es steuern können.

Auch gulli.com berichtet: CDU- Abgeordneter fordert „Vermummungsverbot im Internet“.

Netzpolitik.org hat auch einen Artikel: „Vermummungsverbot“ im Internet. Darin beschäftigt sich Linus Neumann genauer mit der Frage, warum der Vergleich mit dem „Vermummungsverbot“ Blödsinn ist.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch der Nerdcoreblog genannt, der das „Axel E. Fischer fordert“- Mem ebenfalls lustig findet. That´s the Internet, Herr Fischer. Da wird auch noch aus dem größten Bockmist eine witzige Aktion.

Die Süddeutsche berichtet jetzt ebenfalls.

Netzpolitik nochmal, mit einem Best Of der Beiträge zum „Axel E. Fischer fordert“- Mem

Big Brother Award 2009 für Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen

Der Big Brother Award, der schon zum 10. Mal in Bielefeld verliehen wird, ist in Sachen Datenschutz so etwas wie eine Institution. Die „Preisträgern“ ist mediale Aufmerksamkeit gewiss, vom FoeBuD ( (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.) dürften die meisten von euch schon gehört haben. Der Preis geht in diesem Jahr an Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen. Absolut verdient für ihre irrsinnigen, demokratiefeindlichen und demokratiegefährdenden Ideen, die sie fast mühelos und scheinbar ohne nachzudenken, zu Gesetzen machen konnten. Zensursula hat viel zu wenig gegen Missbrauch von Kindern getan, und sich lieber in Lügen und Hasstiraden ausgetobt. Herr Schäuble- nun, den halte ich für unrettbar. Der scheint mir völlig abgedreht und merkt nicht mal, dass er uns in einen neuen Überwachungsstaat führt. Dummheit ist nicht therapierbar. Von der Leyen wird sich in der Gesundheitspolitik mit der FDP einigen, das Ergebnis wird furchtbar sein, aber so dramatisch ist das nicht, da das jetzige System Gesundheitsfond, ebenfalls für n Arsch ist.

Was mich wundert ist, das in der Politik kaum jemand einschritt, sondern dass man die beiden einfach alles machen ließen. Ich würd mich als Politiker von jemandem distanzieren, dem so oft Lügen nachgewiesen wurden wie diesen beiden. Ich würde ihn meiden. All seine Ideen, wenn überhaupt, so nur sehr vorsichtig anpacken. Tja, aber so war es nicht und das sagt viel.

FDP, die selbsternannte Bürgerrechtspartei (LÜGE!), und CDU, konnten sich erstaunlich schnell auf eine gemeinsame Strategie einigen, was die Innenpolitik angeht. Völlig verständlich, hat man sich doch im Groben darauf geeinigt, dass man alles so macht, wie die CDU es will, man verkauft aber ein paar sowieso von Rechtswegen geforderte kleine Änderungen einfach als Leistung der FDP. Ein fauler Kompromiss. Dass das Zugangserschwernisgesetz (aka Stoppschild) nun ein Jahr lang überprüft werden soll ändert nichts. In einem Jahr, nachdem das BKA nochmals wiederholt, dass Löschen nicht funktioniert, wird es los gehen. Die Infrastruktur bleibt ohnehin bestehen und ihr werdet euch wundern, wie schnell sie auf andere „Demokratiefeinde“ wie Filesharer ausgeweitet werden wird.

Wir leben in etwas seltsamen Zeiten:

Politiker haben keine Angst vor dem Volk, sondern vor Terroristen. Das Volk hat keine Angst vor Terroristen, sondern vor Politikern. Nicht das ganze Volk, ein paar viele schlummern, wie immer, selig vor sich hin und wundern sich vielleicht irgendwann mal, dass alles ist wie es ist.

Ein großer Teil aber hat wirklich Angst vor Schäubles Innenpolitik und von der Leyens „Kinderschutz“-Politik (und bald auch, darauf würde ich WETTEN, vor der Sozial- und Finanzpolitik, die auf uns zukommt). Jener Teil, der wirklich mit Globalisierung und ihren Folgen aufwuchs und aufwächst. Bei diesen jungen Menschen zieht das Feindbild vom bärtigen Kommunisten oder vom bärtigen Taliban nicht. Denen kann man auch nicht einfach Blödsinn über das ominöse Internet erzählen, es ist Bestandteil ihres Alltags. Sie kennen die Gefahren, aber wenn von Kinderpornoringen mit Millionenumsatz im Netz die Rede ist, dann ist die Lüge einfach zu offensichtlich. Im Internet lässt sich ganz schwer Geld verdienen. Wer es nutzt, kennt diese Wahrheit. Tauschen basiert auf dem Wunsch, zu teilen. Im Internet in aller Regel umsonst. Das dürfte auch beim Tauschen von Kinderpornografie der Fall sein. (Ich bin kein Experte, weiß auch nicht sicher, ob ich richtig liege, gibt ja leider immer noch keine Untersuchungen dazu, aber es müsste meiner Erfahrung nach so sein.)

Die böse Umsonstkultur existiert, nur dass sie gar nicht böse ist, bzw. einem hier argumentativ auf die Füße fällt. Ohne Markt keine Erhöhung des Angebots aufgrund steigender Nachfrage. Genau diesen Markt erwähnen unsere beiden Lieblingsüberwacher aber immer wieder.

Tausch lässt sich nicht verhindern, im Netz kann man nicht bestimmte Teile isolieren, nur bestimmte Seiten sperren. Das löst auf Dauer auch keine Probleme, muss aber trotzdem Mittel der Wahl sein, da es zumindest ganz wenig nützt, ohne zu schaden. Das Stoppschild schadet jetzt noch nicht. Aber wenn es nach Musikproduzenten, Verlagen usw. geht, wird bald Kultur ausgesperrt, weil sie nicht umsonst zugänglich sein soll. Das ist sehr fragwürdig und wird auch nicht funktionieren. Einziger Effekt: Wir sind schon an Zensur gewöhnt, bis vor ein paar Jahren immerhin unvorstellbar in Deutschland (genau wie Bundeswehr im Innern. In der Schule lernte ich, dass ist einer der wichtigsten Punkt im Grundgesetz, um ein zweites Drittes Reich zu verhindern. Schäuble hat das entweder nicht gelernt oder es ist ihm egal. Terror mit Terror bekämpfen- „Ja wenn es sein muss, dann muss es sein.“)

Es existieren auch rechtsradikale und linksradikale Foren, Bombenbauanleitungen, fundamentalistische Propaganda, Abzockseiten, böse Filesharingseiten usw. usf. That´s internet, so funktioniert es. Ich, als Nutzer der ich mich im Netz bewege, entscheide frei, was mich davon interessiert. Ich will endlich mal „Mein Kampf“ lesen, um zu wissen, ob es wirklich so gefährlich ist, dass man es verbieten muss? Kann ich. (Und ich stelle fest: „Mein Kampf“ ist peinlich und dumm. Jeder sollte es lesen, wenn es denn erlaubt werden würde. Ein Verbot nützt ihm eher, wie so oft.)

Im realen Leben werde ich in Berlin in weiten Teilen der Innenstadt von Kameras beobachtet, demnächst fragen mich wohl Polizisten mit Maschinenpistolen(!) freundlich nach meinem Ausweis. Wenn es nach Schäuble geht, auch mal der eine oder andere nette Soldat. Klingt viel mehr nach Bananenrepublik als nach ner Demokratie, nicht? Geht aber noch weiter: Dank meines Handys kann der Staat meine Position feststellen und wenn ich größere Beträge abhebe, weiß der Staat auch das- viel mehr noch: Er meldet das sogar an befreundete Staaten weiter. Auf Dokumenten wie Personalausweis oder Krankenkarte sind Unmengen an Daten über mich gespeichert und ich bin wahrscheinlich der einzige, der mit diesen Daten zu tun hat, der sie nicht kennt. Andere kennen meine Daten und werten sie ständig zu meinem besten aus. Unwissenheit ist Stärke.

All das (und noch mehr) haben wir Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen zu verdanken und dafür müssten sie eigentlich ins Gefängnis gehen, Schäuble wahlweise gern in ein amerikanisches Foltergefängnis. Der Big Brother Award ist die richtige Geste und die richtige Reaktion auf solch menschenfeindliche Politik. Jetzt müssen wir alle weiter kämpfen, unermüdlich. Es geht um unsere Freiheit und damit um alles!